Samstag, Oktober 28, 2006

Pause

Ab heute ist hier wieder ein paar Tage Pause, denn heute abend geht es erneut für ein paar Tage in den Urlaub. Die Wetteraussichten sind zwar nicht gerade überwältigend, aber ich freue mich trotzdem riesig!

Den Rucksack nehme ich mit zur Arbeit, und nach Feierabend verziehe ich mich damit auf die Damentoilette und tausche die Arbeits- gegen bequemere Reisekleidung um. Dann fahre ich nach Umeda, von wo aus um 0:30 der Nachtbus nach Tōkyō startet. Um 8:00 morgens darf ich dort in den Bus nach Kawaguchi-ko am Fuße des Fuji umsteigen.

Da bleibe ich bis Dienstag, dann geht es morgens mit dem Bus zurück nach Tōkyō und von dort mit dem Shinkansen weiter nach Kitakami zu Julia. Am Donnerstag fliege ich zurück nach Ōsaka.

Freitag, Oktober 27, 2006

Sprachaustausch mal anders


Gestern war ich wieder bei Kayo zum Sprachaustausch. Das haben wir diesmal etwas anders als sonst gemacht. Kayo hat mir gezeigt, wie man Okonomiyaki, neben dem Grüntee-Eis mein erklärtes japanisches Lieblingsgericht, zu Hause in der Pfanne zubereitet.

Das geht tatsächlich ganz einfach: Frühlingszwiebeln und Kohl kleinschnibbeln, mit Mehl, Ei, Wasser und Brühe mischen, in eine gefettete Pfanne geben, kleine Stücke dünn geschnittenen Schweinefleischs drauflegen, braten lassen, nach einer Weile umdrehen, weiter braten lassen, auf einen Teller geben, Mayonnaise, Okonomiyakisauce und Bonitoschuppen darübergeben - itadakimasu! Lustig war's, und gut geschmeckt hat es sowieso.


Das ist Kayo in ihrer winzigen japanischen Küche. Die kleine Maschine links ist übrigens ein Geschirrspüler. Kawaii!

Ein ganz besonderer Garten

An den letzten beiden Montagen habe ich für Andrea gearbeitet, Dienstags bin ich wie immer zum Japanischunterricht gegangen - klar, daß ich da keine Zeit hatte, Ausflüge zu unternehmen. Aber diesen Dienstag habe ich mir gleich nach dem Japanischunterricht einen Garten angesehen. Einen ganz besonderen. Den Dachgarten vom OCAT.


Die haben tatsächlich auf dem großen Flachdach des Gebäudes (OCAT steht übrigens für "Ōsaka City Air Terminal" - ich wollt's nur mal gesagt haben) einen großen Garten angelegt. Mit Rasen, Büschen, Blumen (die auch jetzt Ende Oktober noch wunderbar duften) und sogar ein paar Bäumchen. Und einige Sitzbänke, von denen ich mir die schönste aussuchte und mein im Combini gekauftes Mittagessen auspackte. Picknick über den Dächern von Ōsaka.


Damit war ich nicht die einzige, aber die Japaner zogen es vor, ihr Essen im Schatten zu verzehren.


Von fast jedem Punkt aus hat man einen guten Blick über die Stadt. Wenn sie nur nicht so häßlich wäre ... Und so laut. Das OCAT hat sechs Stockwerke, oben drauf den Garten, aber ein leichtes Brummen vom Straßenlärm drang dennoch nach oben.


Und noch etwas gibt es vom Dachgarten aus zu sehen: dieses 20stöckige Gebäude. Im 13. Stock arbeite ich.

Mittwoch, Oktober 25, 2006

Es ist soweit

Heute habe ich meine Kündigung eingereicht.
Mein letzter Arbeitstag ist Sonntag, der 26. November. Danach habe ich zwei Tage Wochenende, dann fünf Tage Urlaub, und dann wieder zwei Tage Wochenende. Davon der letzte ist der 5. Dezember, mein wirklich letzter Tag bei Nova und der Tag meiner Heimreise.

Da habe ich Zeit genug, um meine Sachen zu packen und zu verschicken (ich darf leider nur 20 kg mitnehmen :-( ), die Wohnung sauberzumachen und mich auf den großen Japanischtest am 3. Dezember vorzubereiten. Ich bin zwar ganz bescheiden und mache Level 4 (den Anfängerlevel), aber immerhin.

Wenn alles gutgeht, habe ich die letzten zwei Wochen sogar sturmfreie Bude. Claudias Vertrag endet Mitte November, dann kehrt sie nach Australien zurück, und Anita zieht zum selben Zeitpunkt zu Kollegen nach Kyōto. Sie meinte, sie wolle nicht alleine in der Wohnung zurückbleiben, nur um dann neue Mitbewohnerinnen zu bekommen, mit denen sie vielleicht nicht klarkommt.

Am 27. November findet dann meine Sayōnara-Party statt. Der Jahreszeit entsprechend auf dem Deutschen Weihnachtsmarkt in Umeda. Voraussichtlich ab 18 Uhr, aber das steht noch nicht so genau fest. Also - wer Zeit und Lust hat ... ;-)

Dienstag, Oktober 24, 2006

Lehrmaterialien

In den zehnminütigen Pausen zwischen den Unterrichtsstunden gibt es für uns Lehrer noch einiges zu tun: die Stunde beenden (d.h. evtl. letzte Fragen klären und sich von den Schülern verabschieden), die Kommentare beenden und abspeichern, evtl. in eine andere Bude wechseln, die Lektion für die nächste Stunde auswählen, die Kommentare aus den letzten Stunden der Schüler lesen (damit man in etwa weiß, wer und v.a. was einen erwartet), die Kameraverbindung herstellen, ... Trotzdem bleibt immer noch etwas Zeit, um auch mal mit den Kollegen zu quatschen.

Wie so oft, machte ich eines Abends die paar Schritte zu Andreas Bude und warf einen Blick auf ihren Computer (Wen und was unterrichtet sie gleich? Hat sie die netteren Schüler abbekommen? ...). Dann fiel mein Blick auf das Buch, das sie neben dem Computer liegen hatte. Für den Fall, daß ein Schüler nicht kommt und eine No Show hinlegt. Für den Lehrer gibt es in dem Fall eine Freistunde, und damit es dann nicht langweilig wird, hat jeder immer was zu lesen dabei. Andreas Buch hatte ich schon öfters gesehen, ein Japanischlehrbuch. Aber an jenem Abend blieb mein Blick etwas länger an dem Buch hängen. Irgendwas stimmte da nicht ...

Am nächsten Tag nahm ich meine Kamera mit zur Arbeit:

Sonntag, Oktober 22, 2006

Ich verstehe Japanisch!

Auf dem Rückweg von Amanohashidate mußte ich wieder über Kyōto fahren. Um kurz vor acht stand ich dann auf dem Bahnhof und wartete auf den Schnellzug (Shinkaisoku). Mit der Bummelbahn wollte ich nicht fahren, das hätte doppelt so lange gedauert.

Das schöne an den japanischen Bahnhöfen (zumindest den großen) ist, daß auf den Bahnsteigen Markierungen an den Stellen angebracht sind, an denen sich die Türen des Zuges befinden, wenn er denn da ist. Manchmal gibt es unterschiedliche Markierungen, und die Anzeigentafel zeigt dann an, welche Markierungen für welchen Zug gelten. Und das schöne an den japanischen Zügen ist, daß sie auch tatsächlich vor diesen Markierungen halten.

Ich stellte mich also an der Markierung für den Shinkaisoku auf. Ich war die zweite in der Schlange, vor mir stand nur noch ein junger Mann. Direkt hinter mir turtelte ein verliebtes Pärchen herum, und hinter dem Pärchen wartete eine ältere Dame.

Während ich so da stand und auf den Zug wartete, bekam ich mit, wie die ältere Dame das Pärchen danach fragte, ob das auch wirklich der Zug nach Ōsaka sei. Die Anzeigentafel sagte in ihrer Version in lateinischer Schrift, eine Stadt namens Kamigori sei das Ziel des Zuges. Hatte ich auch noch nie gehört, aber wenn die Tafel auf Kanji umschaltete, konnte ich die Zeichen für Himeji erkennen. Und wenn der Zug nach Himeji fährt, dann hält er auch in Ōsaka. Außerdem war das der Bahnsteig für die Züge nach Ōsaka. Ich war mir also zu 99% sicher, auf den richtigen Zug zu warten.

Plötzlich bemerkte ich hinter mir eine Bewegung und sah, wie das Pärchen einfach verschwand. Die ältere Dame sah den beiden erst verblüfft hinterher und drehte den Kopf dann wieder nach vorne. Sie sah mich direkt an. Sah mir direkt in meine großen, blauen Augen in meinem weißen Gesicht (der Bezeichnung "Bleichgesicht" aus den alten Indianerromanen kann ich eine gewisse Berechtigung nicht absprechen) und - textete mich zu. Das eigentlich Erstaunliche daran war aber, daß ich keinerlei Probleme hatte, sie zu verstehen. Natürlich habe ich nicht jedes Wort verstanden, nur die Schlüsselwörter, aber das hat ausgereicht. Den Rest konnte ich mir mühelos dazu denken (im Text kursiv gesetzt).

"Das waren Taiwaner! Ich wollte doch nur wissen, ob das der Zug nach
Ōsaka ist, aber die beiden sind Taiwaner und haben mich nicht verstanden! Taiwaner! Und gehen einfach so weg! Woher soll ich das denn wissen, daß das Taiwaner und nicht Japaner sind! Ich kann keinen Unterschied zwischen Japanern und Taiwanern sehen! Also habe ich sie gefragt, ob das der richtige Zug ist, aber sie haben mich nicht verstanden, weil das Taiwaner sind!..."

Usw. usf. Und die ganze Zeit über sah sie mir starr in die Augen. Ich begann mir schon Sorgen zu machen. Vielleicht hatte die gute Frau wirklich Probleme mit ihrer Sehkraft? Mir blieb nichts anderes übrig, als mein Grinsen zu unterdrücken höflich zu lächeln und ab und an zu nicken. Der junge Mann hatte sich ebenfalls längst schon umgedreht und grinste breit von einem Ohr zum anderen. Irgendwann mußte sie aber mal Luft holen, und da sagte ich, daß ich ebenfalls nach
Ōsaka führe und daß das schon der richtige Zug sei.

Verblüfft hielt die Dame inne. Dann fragte sie den jungen Mann: "Entschuldigung, ist das hier der Zug nach
Ōsaka?" (Hallo?!) Dieser bestätigte und wandte sich dann mir zu: "Sie sprechen aber wirklich gut Japanisch." "Oh nein, ich spreche nicht sehr gut Japanisch."

Die Dame legte wieder los: "Ich hatte eben schon die beiden jungen Leute gefragt, aber das waren Taiwaner und haben mich gar nicht verstanden. Die sind dann einfach weggegangen, weil sie mich nicht verstanden haben. Aber woher soll ich das wissen, daß das Taiwaner sind und nicht Japaner? Können Sie den Unterschied zwischen Taiwanern und Japanern sehen? Ich kann den Unterschied nicht sehen, also habe ich sie gefragt, aber sie haben mich nicht verstanden. Bei dieser jungen Dame hier" - sie machte eine kurze Handbewegung in meine Richtung - "sehe ich doch wenigstens, daß sie Amerikanerin ist, aber -"

In diesem Moment hielt ich es für angebracht, die gute Frau in ihrem Redeschwall zu unterbrechen und über ihren erneuten Irrtum aufzuklären. Aber ich konnte beruhigt zur Kenntnis nehmen, daß mit ihren Augen doch alles in Ordnung war.

Ich habe mich königlich amüsiert.

Urlaubsaktivitäten

Die Schülerin hatte im Winter (ja, das ist schon ein Weilchen her) in Köln einen zweimonatigen Sprachkurs besucht und bei einer Gastfamilie gewohnt. Dann saß sie bei mir in einer Einzelstunde. Klar, daß ich da die Lektion "Über eine Reise berichten" etwas abgewandelt habe und sie statt dessen über ihren Deutschlandaufenthalt erzählen ließ.

Lehrerin: "Was haben Sie in Köln gemacht?"
Schülerin: "Ich habe den Kölner Dom gesehen."
Lehrerin: "Oh, klasse! Wie war's?"
Schülerin: "Sehr schön."
Lehrerin: "Und was haben Sie noch gemacht?"
Schülerin (nuschelt): "Ichhabegestapoactivitygemacht."
Lehrerin (glaubt, sich verhört zu haben): "WAS?!"
Schülerin (nuschelt immer noch, ist aber verständlicher geworden): "Ich habe Gestapo-Activity gemacht."

Nach über fünf Minuten intensivsten Nachfragens und Wörtererklärens habe ich ihr einen fertigen Satz aufgeschrieben und sie den zweimal laut vorlesen lassen. Nur zur Sicherheit. Das mache ich sonst nie.

"Ich bin in ein Museum gegangen und habe mir eine Ausstellung über die Gestapo angesehen."

Lehrerin (wischt sich den Schweiß von der Stirn): *uff*

Freitag, Oktober 20, 2006

Auf der Himmelsbrücke

Kaum war ich aus dem Urlaub zurück, bin ich an meinem nächsten Wochenende (genauer gesagt: Montag, 9.10.) schon wieder unterwegs gewesen. Viel Zeit bleibt mir ja nicht mehr, und da ich diesen und den folgenden Montag für Andrea arbeite, mußte die Freizeit gut genutzt werden. Die Wettervorhersage war auch vielversprechend, also folgte ich einer Empfehlung von Cari und Anita und fuhr zu einer der drei schönsten Landschaften Japans, nach Amanohashidate im Nordwesten der Präfektur Kyōto.

Amanohashidate ("Himmelsbrücke") ist eine schmale, mit Kiefern bewachsene Nehrung, die sich über 3,6 Kilometer durch die Bucht von Miyazu erstreckt. An der Seite zum offenen Meer hin gibt es schöne Sandstrände, die im Sommer von Touristen bevölkert werden.

Leider fährt nur ein einziger direkter Zug von Ōsaka nach Amanohashidate, wie man mir in der Touristeninformation von Shin Ōsaka erklärte, und so mußte ich über Kyōto fahren. Der direkte Zug von Kyōto wäre dann auch erst in über einer Stunde abgefahren, aber es gab eine Verbindung, wo ich nur einmal umsteigen mußte, nur eine halbe Stunde später. Natürlich habe die genommen. Die Zugfahrt dauerte über zwei Stunden und führte mich ziemlich bald aus dem dichtbesiedelten Teil der Kansairegion in ländlichere Gegenden, durch nahezu unberührt wirkende Täler und an dicht bewaldeten Bergen vorbei. In einer kleinen Stadt mit dem Namen Fukuchiyama (die allem Anschein nach über eine entzückende kleine Burg verfügt) mußte ich umsteigen. Auf dem Bahnsteig sah ich mich gerade suchend um, als eine Japanerin mich auf Englisch (!) ansprach:"Where are you going?" "To Amanohashidate." "That's your train!" Sie fuhr mit demselben Zug und kam später extra zu meinem Platz gelaufen, um mir zu sagen, daß ich an der nächsten Station aussteigen müsse, und schenkte mir zwei schöne Postkarten von Amanohashidate und dem Kiyomizu-dera in Kyōto. Wo immer ich in diesem Land auch hin komme - überall treffe ich wahnsinnig nette Menschen.

In Amanohashidate angekommen, habe ich mich als erstes an der dortigen Touristeninformation mit englischem Infomaterial und Karten ausstatten lassen. Anschließend ging es zur nahegelegenen Sesselliftstation, die auf den Berg Monju führt. Dort oben gibt es einen Vergnügungspark (den ich einfach ignoriert habe) und eine Aussichtsplattform, von der aus man die Sandbank in ihrer ganzen Länge wunderbar überblicken kann.


Das Wetter an dem Tag war einfach fantastisch: nahezu blauer Himmel mit nur ein paar Wölkchen, Sonnenschein bei angenehmen Temperaturen (schätzungsweise leicht über 20 Grad). Ich blieb eine ganze Weile da oben, genoß die Aussicht auf Amanohashidate, die umliegenden Berge und die Bucht - und die japanischen Touristen, die sich die Sandbank an den extra dafür bestimmten Stellen auf die traditionelle Weise ansahen: man stelle sich mit dem Rücken zur Bucht, beuge sich nach unten und sehe durch die gespreizten Beine hindurch. Natürlich habe ich das auch gemacht (leugnen kann ich es eh nicht, wo ich doch gestern schon das Beweisfoto veröffentlicht habe). Wer auch immer ursprünglich diesen Einfall gehabt haben mag - es war eine sehr gute Idee. Über Kopf sieht die Landschaft gleich noch mal so schön aus.

Bevor ich mit dem Sessellift wieder nach unten fuhr, machte ich erst noch Picknick mit Sandwichs aus dem Combini. Selten habe ich bei so schöner Aussicht zu Mittag gegessen.


Das Leben in Japan ist wahnsinnig gefährlich, aber bei dem Sessellift hatte man auf jegliche Absicherung verzichtet. Man setzt sich einfach rein und hält sich irgendwie an der Stange fest, mit der der Sessel am Drahtseil befestigt ist. Das ist nur in den ersten fünf Minuten unheimlich, danach hat man sich daran gewöhnt und genießt die Fahrt. Das geht aber nur, weil der Sessellift ganz gemütlich den Berg rauf- und wieder runterzuckelt. Außerdem fällt man im Zweifel nie tiefer als einen Meter. Schöner ist es übrigens, wenn man wieder runterfährt, weil man die ganze Zeit auf die Nehrung blickt.

Auf die andere Seite der Bucht gelangt man entweder mit der Fähre an der Nehrung entlang oder mit einem gemieteten Fahrrad bzw. zu Fuß über die Sandbank. Letzteres ist ein angenehmer 50minütiger Spaziergang unter Kiefern hindurch und nie weit vom Strand entfernt.


Gebadet hat keiner mehr, aber dennoch waren zahlreiche Touristen am Strand zu sehen, die genau wie ich den Wellen zusahen, die immer wieder von neuem an den Strand klatschten. Einige hatten auch ihre Hunde dabei (nur dieser hatte vorher noch sein Trikot anziehen müssen).


Es war ein schöner Spaziergang, der nur etwas länger als 50 Minuten dauerte, weil ich immer wieder zum Fotografieren stehenblieb. Aber was soll man auch sonst machen, wenn einem alle paar Meter ein neues Motiv vor die Linse kommt? Wenn da eine merkwürdig gewachsene Kiefer steht, eine eigentümliche Wolkenformation zu sehen ist oder besonders hohe Wellen ans Ufer schlagen? (Bei dem Versuch, letzteres zu fotografieren, habe ich mir prompt auch leicht nasse Füße geholt ...)


Nach einiger Zeit war ich dann aber doch in Fuchu angekommen, dem Ortsteil an der Nordseite der Bucht. Da muß man eigentlich gar nicht extra auf den Berg hinauf fahren, um einen schönen Blick auf die Himmelsbrücke zu haben, aber die Fahrt mit dem Sessellift hatte mir so viel Spaß gemacht, daß ich es mir nicht entgehen lassen wollte, das Vergnügen ein zweites Mal zu haben. So stand ich nach einer Weile im Kasamatsu-kōen, und sah mir die Nehrung erneut von oben an. Wieder waren viele Japaner da, die sich - Alt und Jung - zum traditionellen Blick auf Amanohashidate auf die dazu vorgesehenen Steinbänke stellten.


Einige machten dabei sogar noch ein Foto durch ihre gespreizten Beine hindurch. Das ist natürlich Schwachsinn.


Man macht einfach ein Foto, ...


... dreht es dann um, und schon hat man den einzigartigen Eindruck für alle Ewigkeit festgehalten. Funktioniert sogar mit Digitalfotos.

Da oben habe ich dann aber auch von einem netten Japaner mein Beweisfoto bekommen, und dann wurde es auch schon Zeit, sich auf den Rückweg zu machen. Das erkannte ich daran, daß der Sessellift seinen Betrieb eingestellt hatte (was war ich enttäuscht!) und ich die normale Seilbahn nehmen mußte, um wieder nach unten zu kommen. :-(

Auf dem Rückweg auf die andere Seite der Bucht bin ich mit der Fähre gefahren. Eine knappe Viertelstunde lang ging es immer an der Nehrung entlang auf die andere Seite.


Zusammen mit den anderen Fahrgästen stand ich auf dem Oberdeck, ließ mir den frischen Wind um die Nase wehen und sah den Möwen zu, die das kleine Schiff in einem atemberaubenden Tempo umflogen und mit dem Schnabel die Häppchen auffingen, die ihnen von einigen Fahrgästen zugeworfen wurden (ich hoffe nur, daß das spezielles Futter war - nicht, daß die Möwen hinterher Durchfall bekommen).


Es dauerte gar nicht lange, da gesellten sich auch einige der Raubvögel, die ich den ganzen Tag lang majestätisch über die Bucht schweben sah, zu den Möwen und umkreisten die Fähre. Keine Ahnung, was das für Vögel sind (Geisteswissenschaftler ...), und was sie wollten. Sie hatten jedenfalls kein Interesse an den Häppchen oder an den Möwen (die auch eine Nummer zu groß gewesen wären). Vielleicht waren sie einfach nur neugierig.

Donnerstag, Oktober 19, 2006

Mittwoch, Oktober 18, 2006

Technik, die nicht begeistert

Technik macht das Leben leichter und das ist auch gut so. Meistens jedenfalls. Es kommt auch bei der Technik auf die richtige Dosierung an. Irgendwann ist es auch schlicht zuviel des Guten. Wenn ich eine Bedienungsanleitung brauche, um das Klo ordnungsgemäß benutzen zu können, zum Beispiel.


Wie bei der Toilette im Hotel in Miyazaki, das einzige, was mir an meinem Zimmer nicht gefallen hat. Schon das High-Tech-Klo bei Nova hat mehr Funktionen und Knöpfe als (meines Erachtens) nötig sind. Nur stören sie mich da nicht.


Dieses Exemplar hier hatte noch ein paar Funktionen mehr und ist mir schlicht auf den Geist gegangen. Ich zitiere die Bedienungsanleitung:
To prepare the warm water rinse:
Sit down on the seat. When the PREPARATION indicator lamp stops blinking and shows a steady illumination, the warm water rinse is ready.

Also: man setzt sich drauf, und nach zwei Sekunden beginnt die Toilette, das Wasser anzuwärmen - nur für den Fall, daß der Benutzer eventuell vielleicht die Bidetfunktion nutzen möchte. *RÖDEL SPOTZ RÖDEL SPOTZ RÖDEL*

Das nervt!!! Besonders unmittelbar nach dem Aufstehen, wenn meine motorischen Fähigkeiten nur bedingt abrufbereit sind. Da begann der Morgen damit, daß ich mich über absolut überflüssige Technik geärgert habe, weil ich den STOP-Knopf nicht sofort finden konnte, mit dem Ruhe und Frieden in Sekundenschnelle wiederhergestellt waren.

Dienstag, Oktober 17, 2006

Eine unheimliche Begegnung

Auf dem Weg zum Udo-jingū bin ich - ich erwähnte es schon - zunächst in die falsche Richtung gelaufen, und zwar den Berg rauf statt runter. Schon auf dem Weg nach oben bemerkte ich auf den Stufen, daß sich da etwas bewegte. Aber schon im nächsten Augenblick war nichts mehr zu sehen.

Dann, als ich mich seufzend vom Gipfel aus wieder nach unten begab, geschah es: Etwas verschwand blitzschnell unter genau dem Stein, wo ich eben gerade noch meinen Fuß drauf setzen wollte. Das ging so schnell, daß nur zwei visuelle Eindrücke in meinen grauen Zellen ankamen: leuchtend rot und viele Beine. *Panik*

Schnell eine Stufe wieder zurück nach oben. Wer weiß, was das für ein Viech ist. Was so rot leuchtet, kann nur gefährlich sein. Dann gaaaaaanz langsam und wieder eine Stufe nach unten, ein Schwenker so weit wie möglich zur Seite und vooooorsichtig ein paar Stufen weiter runter. Umgedreht und die entsprechende Stufe inspiziert. Nichts zu sehen. Etwas gewartet, immer noch nichts, weiter gegangen.

Ein paar Schritte weiter dann wieder: etwas Knallrotes mit vielen Beinen und schneller in einer Spalte verschwunden, als ich die Kamera draufhalten und den Auslöser betätigen konnte. Aber je weiter ich nach unten ging, desto mehr von diesen Viechern konnte ich sehen, und obwohl sie wahnsinnig scheu sind, habe ich trotzdem wenigstens ein Foto machen können:


Was um alles in der Welt machen Krabben auf einem Berg?! Ist das normal?

Man ist ja doch belesen und macht sich so seine Gedanken, auch wenn die Krabben nicht in Massen auftraten und eben knallrot statt weiß waren. Aber wer weiß, vielleicht haben die Yrr das Buch auch schon gelesen ... ;-)

Genetik

Mit der Zeit bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß die Japaner einen angeborenen Gendefekt haben, der es ihnen nahezu unmöglich macht, das deutsche Verb "sprechen" zu benutzen. Das wird mit schöner Regelmäßigkeit einfach durch ein anderes Verb ersetzt.

Der Klassiker:
"Ich spiele Französisch." (NEIN!)

Meine Kollegin hat neulich mal wieder die Lektion "Ein einfaches Telefongespräch führen" auf dem Level für die nicht mehr völlig blutigen Anfänger gehalten.
"Firma XY, guten Tag."
"Guten Tag, ich möchte mit Herrn Müller schlafen."

Sonntag, Oktober 15, 2006

Reisebericht Teil 4: Der letzte Tag

An meinem letzten Urlaubstag habe ich es ruhig angehen lassen, bin etwas später aufgestanden (aber auch nicht zu spät, denn Frühstück gab's nur bis neun) und bin erst um kurz vor zehn losgezogen. Den Koffer konnte ich noch im Hotel lassen.

Nachdem ich es am Montag aufgrund widriger Umstände nicht in den Heiwadai-kōen geschafft hatte, bin ich am Donnerstag auf Nummer sicher gegangen und habe den direkten Bus dorthin genommen. Die Endhaltestelle lag mitten in einem seeehr ruhigen Wohngebiet, aber der Busfahrer hat mir den richtigen Weg zum Parkeingang gezeigt. Dort mußte ich dann nur eine kleine Treppe hoch, und dann stand ich schon vor dem Andenkengeschäft und Restaurant des Parks. Ein paar Schritte weiter befand sich schon der Friedensturm.


Mein Reiseführer bezeichnet ihn als "rather Stalinist". Damit haben die Autoren nicht so ganz unrecht. Neben das Hauptgebäude der MGU würde er optisch auch ganz gut passen. Ein kleines bißchen älter ist dieser Turm allerdings. Er wurde schon 1940 gebaut, und die Steine kamen aus aller Welt. Den schönen Namen hat der Turm dann aber erst nach dem Krieg verpaßt bekommen.

Wirklich schön ist er nicht, und so bin ich gleich weiter gegangen. Ich wollte endlich den Haniwagarten sehen. Ich erwähnte es bereits, Haniwa sind Tonfiguren, die im 4. Jahrhundert bei und in japanischen Hügelgräbern aufgestellt wurden.


Im Haniwagarten hat man nun zahlreiche Kopien von Haniwa zwischen den Bäumen aufgestellt. Schöne Idee. Im Schatten der Bäume wirken die teilweise moosbewachsenen Tonfiguren schon ein bißchen unwirklich. Das ist viel eindrucksvoller, als sich die Originale im Museum bei Kunstlicht anzusehen. Hier sind es wirklich Relikte aus einer längst vergangenen Zeit (und daß es "nur" Kopien sind, tut dem keinen Abbruch).

Tonfiguren in unterschiedlichsten Formen gibt es da: Schiffe, Häuser, Pferde, Krieger, Tänzer, einen König und ein paar Hühner.


Besonders gut hat mir die Kotospielerin gefallen (könnte aber auch ein Kotospieler sein).


Reichlich bizarr fand ich diese Kriegerfiguren hier. Von denen gab es eine ganze Menge, und alle haben dieses merkwürdige Grinsen im Gesicht.

Eine gute halbe Stunde bin ich durch den Haniwagarten spaziert, habe die Figuren bewundert, Fotos gemacht und die Atmosphäre auf mich wirken lassen. Danach gab es in dem Park nichts mehr, was mich interessiert hätte, und so kehrte ich zur Bushaltestelle zurück. Mein nächstes Ziel war das Miyazaki Prefectural Museum of Nature and History, in dem ich mir doch noch ein paar Originalhaniwa ansehen wollte.

Auf der Hinfahrt hatte ich gesehen, daß die Busstrecke am Kulturpark von Miyazaki vorbeiführt, in welchem sich das Kreiskunstmuseum befindet. Die Nordostecke vom Kulturpark wiederum liegt direkt gegenüber dem Park rund um den Miyazaki-jingū, in welchem sich wiederum das Museum befindet, das ich mir ansehen wollte. Das sollte also problemlos zu finden sein.

Ich hatte Glück: als ich an der Bushaltestelle ankam, fuhr gerade der Bus vor. Ich war der einzige Fahrgast und fragte den Fahrer sicherheitshalber noch mal, ob der Bus auch wirklich am Kreiskunstmuseum halten würde. Der gute Mann antwortete mir mit einem Wortschwall, aus dem ich nur so viel verstand, daß ich diesen Bus nehmen könne. Und er sagte mir auch rechtzeitig Bescheid, als wir an die gewünschte Haltestelle kamen. Nett!


Das hier ist das Kreiskunstmuseum. Ich habe kurz mit dem Gedanken gespielt, auch dort in die aktuelle Ausstellung zu gehen. Aber dann sagte ich mir, daß ich nicht nach Südjapan gefahren bin, um mir eine Ausstellung über Maria Theresia und Marie Antoinette anzusehen, und habe es sein gelassen.

Ins Naturkundemuseum wurde ich erstaunlicherweise für umsonst reingelassen. Die Dame an der Kasse sagte irgendwas von "yasumi" (Feiertag). Was auch immer der Anlaß war - ich habe gar nicht erst angefangen, mich zu beklagen.

Im Erdgeschoß gibt es eine riesige Ausstellung zu Fauna und Flora der Präfektur Miyazaki. Inklusive eines Skeletts eines beängstigend riesigen Tyrannosaurus Rex (aber wenn ich das Schild richtig interpretiert habe, war das die Kopie eines amerikanischen Originals). Von so ziemlich jedem Tier, das dort unten heimisch ist, konnte ich mir ein Präparat ansehen. Die Vögel und Säugetiere waren ja alle noch ganz hübsch, ebenso die Schmetterlinge, aber bei den meisten Tieren war ich doch heilfroh, mit denen nicht weiter in Kontakt gekommen zu sein (Käfer, Spinnen, Schlangen, Kakerlaken, ...).


Im Obergeschoß gab es dann Exponate zur Volkskunst. Einige Originalhaniwa und andere Grabbeigaben, darunter einen Goldteller, den man ausdrücklich nicht fotografieren durfte, waren das erste, was ich mir ansehen konnte. Interessant waren auch die zahlreichen Handwerksgegestände, auch wenn ich meistens nur erahnen konnte, was man damit anstellen kann. Am Eingang hatte ich (auf Nachfragen) ein englischsprachiges Infoblatt bekommen, aber allzuviel Inhalt hatte das nicht. In einer Ecke liefen kurze Filmchen zu den verschiedenen matsuri, die in Miyazaki und Umgebung übers Jahr hinweg gefeiert werden, in einer Dauerschleife. Davon habe ich auch nichts verstanden, aber es war wirklich interessant anzusehen.

Hübsch war auch die Ecke, in der sie ein kleines Wohnhaus aus den 50er Jahren aufgebaut hatten. Das konnte man sogar betreten (aber nur bis zur Türschwelle, Japaner betreten eine Wohnung ja grundsätzlich nicht in Schuhen). Drum herum war Kinderspielzeug ausgestellt (das aber wahrscheinlich teilweise jünger war). Eine Bekannte habe ich auch gesehen: in einem Schaukasten mit Anziehpuppen aus Papier war Heidi.


Viel war nicht los im Museum, während ich mir die Ausstellung angesehen habe, habe ich nur einen einzelnen Mann getroffen, der sich den Film über die geologische Geschichte der Präfektur angesehen hat. Eine Weile habe ich auch zugesehen, aber weil ich davon absolut nichts verstehen konnte, wurde es bald langweilig. Eine Grundschulklasse war auch da, aber die müssen einen anderen Weg durch die Ausstellung genommen haben, jedenfalls traf ich die Kinder erst draußen auf der Rasenfläche vor dem Haupteingang wieder.


Hinter dem Museumsgebäude gibt es noch etwas sehr interessantes: drei Bauernhäuser und das Haus eines Landsamurai (der nicht allzu wohlhabend gewesen sein kann) aus der Gegend. Alle sind sie zwischen 100 bis 220 Jahre alt. Das hier ist das älteste aus der Gruppe, ein kleines Bauernhaus aus dem Nordwesten der Präfektur Miyazaki, 1787 gebaut.


Es ist winzig und hat nur zwei Zimmer, aber immerhin ansatzweise Tatamimatten rund um die Feuerstelle.

Als ich die vier Häuser alle ausgiebigst betrachtet hatte, verspürte ich ein leichtes Hungergefühl, daher nahm ich den nächsten Bus Richtung Stadtzentrum. Nach einer Weile fand ich ein gutes Restaurant:


Ogura, von meinem Reiseführer als "café-style restaurant offering good, cheap food". Das hatte ich am Montag schon verzweifelt gesucht. An dem Tag war ich wirklich reichlich orientierungslos. Aber das Restaurant ist auch wirklich gut in einer extrem schmalen Seitenstraße direkt hinter einem der großen Kaufhäuser versteckt.

Das Ogura ist ein historischer Ort: hier wurde 1967 das gute Chicken Nanban erfunden. Habe ich natürlich wieder bestellt. Das Essen war wirklich lecker, aber die Portion war viel zu groß. Ich hatte Kohldampf, aber irgendwann ist der Magen auch einfach voll.

Nach dem Essen bin ich dann noch weiter durch die Innenstadt spaziert, habe einen Schaufensterbummel gemacht und einen kleinen japanischen Garten entdeckt.


Nichts dolles, aber nett gemacht (mit Gärten kennen die Japaner sich aus, das muß man ihnen lassen). Erstaunlich, wie viele Koi in so einen kleinen Teich passen, ohne sich gegenseitig aufzufressen (oder etwa doch?... :-o ).

Irgendwann gab es nichts mehr zu sehen, also habe ich meinen Koffer aus dem Hotel geholt und mich auf einen Kaffee zu Starbucks gesetzt, bevor ich gegen halb fünf in den Bus zum Flughafen gestiegen bin.


(Bevor sich wieder jemand wundert: das Foto wurde durch eine dicke Fensterscheibe aufgenommen, daher der Spiegeleffekt auf den Wolken).

Der Flug war reichlich unspektakulär. Wegen der Dunkelheit war nichts zu sehen, daher war ich der Stewardess wirklich dankbar, die mir extra eine englischsprachige Zeitung heranschaffte.

Spannend war nur der Landeanflug über Ōsaka. Wahnsinn, wie viele Lichter in dieser Stadt leuchten! Ich habe vergeblich versucht, etwas zu erkennen. Erst als das Flugzeug über den Yodo-gawa flog, wußte ich so ungefähr, wo wir waren. Ganz schön breit, dieser Fluß. Shin Ōsaka-eki habe ich erkannt, nicht aber das Haus, in dem ich lebe, obwohl wir sicher ganz nah dran vorbeigedonnert sind.

In
Ōsaka goß es in Strömen, und wir mußten das Flugzeug über das Rollfeld verlassen. Aber am Fuß der Ausstiegstreppe erwarteten uns zwei Flughafenmitarbeiter in REgenmänteln mit einem riesigen Vorrat an JAL-Regenschirmen, die sie in Windeseile für uns Passagiere aufspannten. Am Eingang zum Flughafenterminal wurden die Schirme von zwei weiteren Mitarbeitern wieder eingesammelt.

Auschecken ging schnell, dann mußte ich nur noch auf den Flughafenbus nach Shin
Ōsaka warten. Dieser hatte schon an einer anderen Haltestelle am Flughafen Fahrgäste aufgenommen, aber obwohl ich mit ziemlich vielen Leuten in der Schlange stand, fanden wir alle einen Sitzplatz. Die zuletzt Eingestiegenen mußten allerdings mit den runterklappbaren Plätzen im Mittelgang Vorlieb nehmen.

Japaner gelten im allgemeinen als besonders höflich, und im großen und ganzen stimmt das auch. Allerdings ist die Höflichkeit oft eher oberflächlich. Man ist höflich, weil man das halt so macht und weil man vor den anderen das Gesicht nicht verlieren will. Aber manchmal tritt die Rücksichtslosigkeit deutlich zutage. So auch im Flughafenbus. Wie gesagt, einige Fahrgäste waren schon an einer anderen Haltestelle zugestiegen. In jeder Reihe war auf jeder Seite des Ganges schon einer der beiden Plätze besetzt. Wer alleine reist, der hat dann ja auch gerne einen Einzelplatz. Uns später Zugestiegenen blieben daher nur die Plätze am Gang (bzw. im Gang) übrig. Außer in meiner Reihe. Ich hatte den Platz am Gang auf der rechten Seite des Busses erwischt, und auf der linken Seite hatte es sich ein beleibter Geschäftsmann bequem gemacht, die dicke Aktentasche auf den Knien. Der Fensterplatz neben ihm war noch frei. Ein jüngerer Mann, ebenfalls Geschäftsreisender, wollte sich nun ebenfalls in diese Reihe setzen (sonst war ja nun auch nichts mehr frei). Anstatt nun einfach auf den Fensterplatz zu rutschen, blieb der Geschäftsmann stur sitzen. Der andere Mann mußte praktisch über ihn und seine Aktentasche klettern (gesagt hat er natürlich auch nichts, dazu sind Japaner zu höflich). Ich habe dem fetten Geschäftsmann einen finsteren Blick zugeworfen, aber der hat einfach geradeaus gestarrt und das gar nicht gesehen. Blöder Kerl.

Freitag, Oktober 13, 2006

Nebenwirkungen

Schüler 1: "Was fehlt Ihnen?"
Schüler 2: "Ich habe Nasenbraten, weil ich habe zuviel Schokolade gegessen."
Schüler 1, Schüler 3, Lehrerin: "??????"
Schüler 2: "Ja, ich habe gestern 500 Gramm gegessen, und meine Nase hat gebraten."

Donnerstag, Oktober 12, 2006

Reisebericht Teil 3: Die Küste entlang

Ursprünglich hatte ich gedacht, am Mittwoch in den Kirishima-Nationalpark zu fahren und mir die Berge anzusehen. Aber nachdem ich am Tag zuvor schon so viele Stunden im Zug und dann im Sightseeingbus verbracht hatte, fand ich die Aussicht, schon wieder stundenlang mit dem Bus zu fahren und irgendwo in der Pampa steckenzubleiben (so oft fahren die Busse da nämlich nicht), nicht mehr so berauschend. Stattdessen bin ich die Küste entlang nach Süden gefahren, habe stundenlang im Bus gesessen und bin sogar für eine Stunde in der Pampa steckengeblieben.

Die Tour hatte ich eigentlich erst am Freitag machen wollen, aber letztlich war es doch gut, daß ich nicht in die Berge gefahren bin. Der Himmel war den ganzen Tag über mit schweren Wolken behangen, da hätte ich nicht viel von der Aussicht gehabt. Windig war es auch.

Mit dem Bus bin ich die sogenannte Nichinan-Küstenlinie abgefahren, zur Linken den Pazifik und atemberaubend schöne Felsformationen, zur Rechten die Berge. Mein erster Halt war Aoshima, eine kleine Insel mit einem Umfang von nur 1,5 km, die durch einen kleinen Damm mit dem nahegelegenen Festland verbunden ist. Sie beherbergt laut Reiseführer Betelpalmen und viele andere Arten subtropischer Pflanzen. Ich habe nur die Palmen erkannt, alles andere sah für mich ganz normal aus. Aber ich habe ja auch nur Geisteswissenschaften studiert. ;-)


Die Insel ist von plattenförmigen Felsen umgeben, die bei Niedrigwasser offenliegen. Wellen und Erosion haben ihnen die Form eines "Riesenwaschbretts" gegeben. Da kann man problemlos drauf herumlaufen (teilweise war es allerdings ein bißchen rutschig). Und im Hintergrund toste der Pazifik. Klasse! Ich war ja auch deshalb nach Miyazaki gereist, um endlich mal den Pazifik zu sehen, und bei dem Wind zeigte er sich von seiner besten Seite, mit großen Wellen, die im Minutentakt gegen die Felsen schlugen. Bei strahlend blauem Himmel und Windstille wäre es doch nur langweilig gewesen.

Einen kleinen Schrein gibt es auf der Insel natürlich auch. Mal abgesehen davon, daß er inmitten des Palmenwäldchens steht und - laut eines meiner Infoblätter vom Flughafen - den Großeltern des ersten japanischen Tennō geweiht ist (mehr zu ihrer Geschichte steht weiter unten), ist er reichlich unspektakulär.


Ich habe natürlich auch einen Spaziergang rund um die Insel gemacht. Anderthalb Kilometer sind ja wirklich keine übermäßige Herausforderung. Als ich den größten Teil geschafft hatte, fing es an zu regnen. Gut, wahrscheinlich hat es schon früher leicht zu regnen angefangen, aber da konnte ich mir noch erfolgreich einreden, das sei lediglich Gischt, die der starke Wind herüberweht. Aber nun ließ es sich nicht mehr ignorieren. Zunächst sah ich zu, wieder zum Schrein zu gelangen, wo ich mich unterstellen konnte. Nach einer Weile habe ich dann doch noch etwas Geld in einen Regenschirm investiert, da mein kleiner natürlich im Hotelzimmer geblieben war. Dann ging ich aufs Festland zurück, kaufte ein Postkartenset, setzte mich in eines der Touristenrestaurants, bestellte mir ein Mittagessen, schrieb ein paar Postkarten und wartete auf das Ende des Regens.

Dann ging ich zur Bushaltestelle zurück, wo ich zum Glück nicht lange warten mußte. Mein nächstes Ziel war der Horikiripaß, vom Reiseführer als guter Aussichtspunkt über die Nichinan-Küstenlinie empfohlen.


Die Aussicht war tatsächlich sogar bei diesem Wetter grandios. Noch mehr dieser Riesenwaschbretter, eine attraktive Felsenküste, und dazu wieder gewaltige Wellen - schön!


Dummerweise ist die grandiose Aussicht, so faszinierend sie auch ist, das einzige, was es an diesem Ort gibt. Nach ein paar Fotos hatte ich alles gesehen. Und der nächste Bus kam erst eine Stunde später.


So sieht das aus: eine einsame Bushaltestelle mitten in der Pampa, dazu ein kleiner Parkplatz, auf dem alternativ drei Autos oder ein Reisebus Platz haben, eine Informationstafel, die über die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Präfektur Miyazaki und deren Entfernung (mit dem Auto) aufklärt. Super.

In der Nähe gibt es eine Horikiripaß "Rest Area", mit dem Bus nur zwei Minuten entfernt. Zuerst habe ich versucht, zu Fuß hinzugehen (das kann ja gar nicht sooo weit weg sein - war es auch nicht), aber so was ähnliches wie einen Fußgängerweg gibt es dort natürlich nicht. Und nachdem kurz hintereinander erst ein LKW und dann ein Reisebus vor mir auf die Gegenfahrbahn ausgewichen sind, hielt ich es für klüger und sicherer, wieder zurückzugehen (wenn ich um die eine Kurve rumgegangen wäre, wäre ich da gewesen) und auf den Bus zu warten. Ich setzte mich also auf die Bank am Aussichtspunkt, genoß die Aussicht und las in meinem Reiseführer.

Gut fünf Minuten, bevor der Bus kommen sollte, kam ein einsamer Motorradfahrer auf den Parkplatz. "What are you doing here?" "I'm waiting for the bus." Es folgte ein kurzer Plausch über die Unzulänglichkeiten öffentlicher Verkehrsmittel in der Provinz und die japanische Angewohnheit, einen Aussichtspunkt als bedeutsam zu markieren, an dem es sonst nichts gibt (aber Japaner steigen ja auch nur für fünf Minuten aus dem sicheren Reisebus, schießen hundert Fotos und fahren dann gleich zum Essen weiter). "Where are you from?" "I'm from Germany." "I see. I'm from Taiwan." "Oh, THAT's why you speak English!!" (Tschuldigung, liebe Japaner, das ist mir in dem Moment einfach so rausgerutscht!)

Der Taiwanese machte dann ebenfalls seine zehn Fotos, wünschte mir noch einen schönen Urlaub und fuhr weiter. Kurz darauf bestieg ich dann den Bus und fuhr weiter zu meiner letzten Station, Udo-jingū. Das ist eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten der Gegend und ganz eindeutig der Höhepunkt meiner Tour.

Von der Bushaltestelle ging es ein kurzes Stück Straße halb um einen kleineren Berg rum zu einem großen Parkplatz, auf dem gerade mal zwei Busse und drei Autos standen. Wirkte wieder alles sehr leer. Am anderen Ende gab es ein Omiyagegeschäft und direkt gegenüber die obligatorischen Torii, die den Eingang zu einem Schrein markieren. Direkt hinter den Torii führte eine Treppe aus ausgetretenen Steinen den Berg hinauf. Ich hatte kaum den Fuß auf die unterste Stufe gesetzt, als die Besitzerin des Omiyagegeschäfts zurückrief: Abunai, gefährlich! Wegen des Regens waren die Stufen glitschig (das habe ich natürlich nicht verstanden, daher hat sie mir das mit eindeutigen Gesten erklärt. Stattdessen sollte ich eine andere, kürzere Treppe hinauf und dann durch einen kleinen Tunnel gehen.

Auf der anderen Seite des Berges angelangt, fand ich ein weiteres kleines Dorf vor. Und eine Treppe nach oben. Ich dachte ja, dort den Schrein zu finden. Fehlanzeige. Da waren zwar auch ein paar vernachlässigte kleine Schreingebäude, einige Torii und ein kleiner Friedhof, aber nichts, was auch nur im Entferntesten eine Ähnlichkeit mit dem Bild des Udo-jingū von einer der Postkarten hatte. Außerdem war da keine Menschenseele zu sehen. Also ging ich die paar Schritte wieder nach unten in das Dorf, wo auch alles sehr ruhig war. Aber ein kleines Omiyagegeschäft hatte geöffnet (und die Besitzerin hockte im Nebenraum vor dem Fernseher). Da ging ich rein und erfuhr, daß ich den Weg im Gegenteil nach unten gehen sollte. Aha.

Leute, stellt doch einfach mal ein paar mehr Schilder auf!

Unten stieß ich zuerst auf ein paar mehr Omiyagegeschäfte (das untrügliche Zeichen dafür, am richtigen Ort zu sein). Touristen waren auch vorhanden, und auf der linken Seite war der Schrein schon zu sehen.


Der Schrein liegt unmittelbar an der felsigen Küste, und die Aussicht auf Meer, Felsen, Klippen und Wellen war einfach umwerfend. Das Rot der Torii, Gebäude und des Geländers, das den Weg sichert, leuchtet wunderschön vor dem dunklen Graubraun der Felsen.


Der eigentliche Schrein jedoch befindet sich in einer Höhle mitten in den Klippen. Eine Treppe führt noch ein ganzes Stück nach unten. Unten angekommen, befindet sich links gleich die Höhlenöffnung und rechts eine kleine Aussichtsplattform.


Der kleinere Felsen links hat die Form einer Schildkröte (ob das so ganz echt ist?.. Der helle Felsen rechts sieht aus wie der Kopf eines Schafs!). In ihrem "Panzer" ist eine kleine, viereckige Vertiefung. An einem kleinen Stand im Höhleneingang kann man kleine "undama", Glückssteine (aus Ton mit einem eingeprägten Kanji), erwerben. Wer es schafft, einen undama in die Vertiefung zu werfen, dem geht ein Wunsch in Erfüllung. Männer werfen mit der linken, Frauen mit der rechten Hand (und fragt mich jetzt bitte nicht, warum). Ich habe mich darauf beschränkt, die Aussicht zu bewundern. Das war wirklich klasse. Die Wellen schlugen gegen die Felsen, die Gischt schäumte und spritzte, und das Meer toste. Und das "Ich-war-am-Pazifik"-Beweisfoto habe ich dann auch noch bekommen.


Ja, es war windig. Das Hütchen hätte ich vielleicht doch besser aufbehalten. :-)


Warum bauen die Japaner in einer Felsenhöhle mitten in den Klippen einen Schrein? Weil der Sage nach in dieser Höhle der Vater des ersten japanischen Kaisers, Jimmū Tennō, geboren wurde.
Seine Eltern waren Yamasachi, ein Urenkel der Sonnengöttin Amaterasu, und Toyotama, die Tochter des Meeresgottes. Zur Geburt hatte sie sich in die Höhle zurückgezogen und ihrem Mann strengstens verboten, zuzusehen. Natürlich hat er es einfach nicht ausgehalten und nachgesehen. Und da sage noch einer, nur Frauen seien neugierig! Jedenfalls sah er, daß seine Frau sich in ein Riesenkrokodil verwandelt hatte. Toyotama jedenfalls war dadurch so erniedrigt, daß sie nach der Geburt sofort ins Meer zu ihrem Vater zurückgekehrt ist und den neugeborenen Sohn bei seinem Vater allein in der Höhle zurückließ. Den sogenannten "Milchstein", an dem das Wasser herunter- oder herauslief, von dem der Junge sich anfangs ernährte, ist hinten in der Höhle noch immer zu sehen. Tolle Geschichte.


Und ein wunderschöner Schrein. Im Inneren der Höhle herrscht tatsächlich eine mystische Stimmung vor, die jeden Besucher unfehlbar in ihren Bann schlägt.

Ich mußte mich dann aber beeilen, denn der Bus fuhr ja nur einmal pro Stunde, und so machte ich mich dann schleunigst auf den Rückweg. Was bin ich dabei ins Schwitzen gekommen! Und dann wurde es tatsächlich knapp. An dem letzten (oder ersten, je nachdem) Omiyagegeschäft angekommen, fragte ich die Besitzerinnen, ob es noch fünf oder zehn Minuten bis zur Abfahrt des Busses nach Miyazaki seien. Fünf. In zehn Minuten hätte ich es noch bis zur Bushaltestelle geschafft. Mist! Aber andererseits hatte ich mich so beeilt (und es war ja auch nicht gerade kalt, nur windig), daß ich völlig geschafft war, und so beschloß ich, auf den nächsten Bus zu warten. "Aber der nächste kommt erst in einer Stunde!" "Ich weiß, aber ich schaffe es nicht mehr, und ich muß was trinken." Die hatten da einen richtig leckeren Saft im Angebot, frisch gepresst (o.k., schon vor einer ganzen Weile gepresst, aber sie warfen den Mixer kurz noch mal an, damit sich das Fruchtfleisch wieder ordentlich in der Flüssigkeit verteilte). Mir wurde ein Stuhl angeboten, damit ich ein wenig verschnaufen konnte, ich bekam ein (völlig ungerechtfertigtes) Lob für meine Japanischkenntnisse, eine Mandarine und zwei verschiedene Bonbons, und zu guter Letzt durfte ich mich noch ins Gästebuch eintragen.

Bei soviel Gastfreundschaft erschien es mir unhöflich, danach einfach so zu verschwinden, ohne noch etwas Geld dagelassen zu haben, und so kaufte ich noch ein Set Postkarten vom Udo-jingū und eine Packung von den Bonbons, die ich schon hatte probieren dürfen. Die hatten dieselbe Form wie die undama vom Schrein und waren somit das ideale Omiyage für die Kollegen.

Danach verabschiedete ich mich von den beiden freundlichen Damen. Gastfreundschaft ist eine feine Sache, aber man soll sie nicht überstrapazieren. Außerdem war ich mit meinem Japanisch am Ende. So verbrachte ich die nächsten 45 Minuten auf einer Bank unter dem Vordach des Toilettenhäuschens (oder was auch immer das war, ein paar Meter weiter war noch eins) vom großen Parkplatz, schrieb noch eine Postkarte und las weiter in meinem Reiseführer. Rechtzeitig vor der Ankunft des nächsten Busses wanderte ich die paar Meter weiter zur Bushaltestelle, und zehn Minuten später saß ich glücklich und zufrieden im Bus nach Miyazaki.

Abends im Hotel habe ich eine letzte Postkarte geschrieben. An Kayo. Auf Japanisch!

Montag, Oktober 09, 2006

Reisebericht Teil 2: Rund um Sakurajima

Am Dienstag sollte es also nach Kagoshima gehen, das sich an einer Bucht in Südwestkyūshū befindet. Inmitten dieser Bucht erhebt sich einer der aktivsten Vulkane der Welt, Sakurajima, auf einer Insel. Die Zugfahrt von Miyazaki nach Kagoshima dauert zwei bis drei Stunden. Enstprechend bin ich früh aufgestanden, und stand schon um kurz nach sieben im Frühstücksraum meines Hotels. Da gab es ein japanisches Frühstücksbüffet - alles sehr lecker, aber mehr und vor allem gehaltvoller, als ich bei der ersten Mahlzeit des Tages vertrage. Ich habe mich dann an den Salat, etwas Fisch und etwas Reis gehalten. Und vor allem an den guten Kaffee.

Kurz nach acht Uhr war ich am Bahnhof von Miyazaki und ging zum Fahrkartenschalter. Da war zum Glück nichts los, so daß der freundliche Schalterbeamte sich viel Zeit nehmen konnte. Ich hatte zwei Möglichkeiten: den Limited Express (Fahrzeit: gut zwei Stunden, dafür muß man zusätzlich zum Fahrpreis noch einen saftigen Zuschlag bezahlen) und den Local Train (Fahrzeit: drei Stunden). Der nächste Express sollte erst gegen halb zehn fahren, die Bummelbahn eine Stunde früher. Weil die Bummelbahn dann auch noch ein paar Minuten eher in Kagoshima sein sollte, habe ich also eine normale Fahrkarte gekauft. Und mir noch sagen lassen, wann der letzte Zug aus Kagoshima abfährt. Sehr wichtig, denn übernachten wollte ich da nicht. Als das geklärt war, fragte mich der Mann noch, aus welchem Land ich denn käme. Der konnte sogar ein bißchen Deutsch und ließ es sich nicht nehmen, das (sehr zu meiner Belustigung und der seiner Kollegin) auch gleich vorzuführen: "Guten Tag. Ich liebe dich." :-D


Um 8:40 startete die Bummelbahn nach Kagoshima. Drei Stunden lang ging die Fahrt durch die gebirgige Landschaft von Südkyūshū. Mal ganz nah an den Bergen vorbei und durch Tunnel hindurch, mal durch fruchtbare Ebenen oder Täler, die Berge stets im Hintergrund. Mal hielt der Zug an der buchstäblichen Mülltonne, mal in verschlafenen oder weniger verschlafenen Kleinstädten. Schön war's. In den letzten 30 bis 45 Minuten (auf die Uhr gesehen habe ich nicht) führte die Bahnstrecke mal mehr, mal weniger dicht an der Bucht von Kagoshima vorbei, und ziemlich bald konnte ich schon einen ersten Blick auf den Vulkan werfen.

In Kagoshima-eki, ("eki" heißt "Bahnhof"), dem ehemaligen Hauptbahnhof der Stadt und jetzt der vorletzten Station, stieg ich aus, denn von hier war es nur ein kurzer Fußmarsch bis zum Fähranleger. Keine Ahnung, wie der neue Hauptbahnhof von Kagoshima aussieht, aber Kagoshima-eki ist ein winziger Bahnhof mit vier Gleisen und zwei Bahnsteigen, einem Kiosk und einem winzigen Fahrkartenschalter. Die Touristeninformation, die sich laut Reiseführer dort befinden sollte, habe ich auch nicht entdecken können. Machte nix, den Weg zur Fähre habe ich auch so gefunden.


Vom Parkplatz des großen und modern anmutenden Fährterminals hatte ich dann erstmals eine unverstellte Sicht auf Sakurajima. Leider war es bewölkt, so daß ich nicht erkennen konnte, was nun "normale" Wolke und was Aschewolke war. Aber später konnte ich es doch noch "richtig" qulamen sehen.

Die Fährverbindung ist ausgezeichnet, alle zehn bis fünfzehn Minuten fährt eine Fähre nach Sakurajima bzw. wieder zurück. Die Fahrt selbst dauerte nur eine Viertelstunde, und so dauerte es gar nicht lange, da war ich auf der Vulkaninsel gelangt. Strenggenommen ist es gar keine Insel, aber dazu komme ich später. Hier gab es auch eine Touristeninformation, wo ich mich erst einmal mit Infomaterial eindeckte und mich nach der Bustour rund um die Insel erkundigte. Sakurajima hat einen Umfang von ca. 40 km, das wäre zu Fuß doch etwas weit gewesen. Die Bustour gibt es zweimal täglich, eine vormittags, eine nachmittags. Bis dahin hatte ich noch jede Menge Zeit, also fragte ich (auf Japanisch, die Englischkenntnisse meiner Gesprächspartnerin waren doch etwas begrenzt), was ich in der Zwischenzeit machen könne. Das Sakurajima Visitors Center wurde mir empfohlen, zu Fuß nur zehn Minuten entfernt.

Dort konnte ich mich über Vulkane im allgemeinen und Sakurajima im besonderen informieren, wenn auch fast alles wieder ausschließlich in Japanisch gehalten war. Aber einige Erklärungen gab es doch auch auf Englisch, und im übrigen sprachen die Bilder auch für sich. So erfuhr ich etwas über die größten Ausbrüche der letzten Jahrhunderte, von denen der gewaltigste der von 1914 war. Dabei versperrten gewaltige Lavaströme eine besonders schmale Meerenge zwischen der Insel und dem Festland, so daß Sakurajima seitdem eine Halbinsel ist. Eine andere interessante Information: im vergangenen Jahr hatte es 17 kleinere Eruptionen gegeben, in diesem Jahr schon 40.

Danach mußte ich einmal die sanitären Anlagen aufsuchen. Auf dem Rückweg stieß ich mit einer anderen Besucherin zusammen. Auch eine Ausländerin. Eine junge Amerikanerin, die mit ihren Eltern in Japan Urlaub machte. Der Vater ist Geographieprofessor an einer Uni und nutzt sein Forschungsfreisemester, um mit seiner Familie durch Asien zu reisen, erfuhr ich später. Auch sie hatten vor, die Bustour mitzumachen, und so verabschiedeten wir uns nur für eine Weile, denn ich war mit meinem Rundgang fertig und wollte mir erst einmal ein Mittagessen besorgen. Das tat ich dann auch in dem Supermarkt, an dem ich auf dem Weg zum Besucherzentrum vorbeigekommen war. Ich kaufte mir ein kleines Bento und was zu Trinken. Damit zog ich zurück zum Fähranleger, kaufte eine Karte für die Sightseeing Bus Tour und setzte mich auf eine der Bänke an der Bushaltestelle, um mein Mittagessen zu verzehren. Nach einer Weile kam die amerikanische Familie hinzu, und während die beiden Frauen erst einmal verschwanden, setzte sich der Vater mit auf die Bank. "Meine Tochter sagt mir, Sie kommen von Deutschland?"

Es gibt Dinge, die erwartet man einfach nicht, und fließend Deutsch sprechende Amerikaner an einer Bushaltestelle in der japanischen Provinz gehören dazu. Seine Mutter ist Deutsche, deshalb "mußte" er als Kind Deutsch lernen. Verwandtschaft in Deutschland hat er auch. In Sennestadt (das dürfte auch den leichten Grammatikfehler in seinem ersten Satz an mich erklären). Die Welt ist wirklich ein Dorf.

Der Bus kam, und einige Tourteilnehmer waren schon an einer anderen Station eingestiegen, darunter auch ein weiteres westliches Ehepaar. (Bei dem zweiten Stop hatte ich Gelegenheit, ein paar Brocken ihrer Unterhaltung aufzuschnappen. Dreimal dürft ihr raten, was für Landsleute das waren ... ) Für uns Ausländer verteilte die freundliche Fremdenführerin Mappen, in denen die wichtigsten Punkte der Tour auf Japanisch und Englisch erklärt waren.

Besonders interessant fand ich die Friedhöfe, an denen wir vorbeikamen. Anders als sonst in Japan üblich, hat jedes Grab sein eigenes Dach. Einmal natürlich wegen der Asche, die regelmäßig vom Vulkan ausgespuckt wird, zum anderen aber auch, weil es in der Region immer besonders heiß ist und die Blumen auf den Gräbern in Rekordzeit verwelken. Es heißt, die Präfektur Kagoshima habe den größten Verbrauch an Schnittblumen in ganz Japan.

Die Tour im klimatisierten Bus dauerte knapp zweieinhalb Stunden und führte einmal ganz um die Insel herum. Dreimal durften wir für jeweils eine Viertelstunde zum Fotografieren (und Andenkenkaufen) den Bus verlassen. In der Zwischenzeit habe ich mit wechselndem Erfolg versucht, aus dem Bus heraus Fotos zu machen. Weil die Fensterscheiben eingetönt waren, sind diese Bilder alle irgendwie grünstichig.


Als erstes fuhr der Bus ein wenig den Berg hinauf, bis wir an der Yunohira-Aussichtsplattform angelangt waren, wo wir alle aussteigen durften. Für uns Ausländer hatte die Fremdenführerin die Abfahrtszeit mit Kugelschreiber auf ihren Handrücken gemalt, damit wir auch bloß nicht zu spät kommen.

373 Meter hoch liegt die Aussichtsplattform, und die Aussicht ist wirklich grandios. In alle Richtungen: auf den Vulkan, auf die Bucht und auf die Stadt mit den umliegenden Bergen. Toll! Schon nach wenigen Minuten mußten wir uns von dem Anblick leider losreißen, denn die Tour ging weiter.

Das muß man sich ungefähr so vorstellen: der Bus fuhr, und währenddessen redete die Fremdenführerin. Mit anderen Worten: ununterbrochen. Klar, daß da die ordentlich durchnummerierten Erläuterungen in der Mappe nur die wichtigsten Informationen enthielten. Entsprechend ließ ich den Wortschwall ungerührt von einem Ohr rein und zum anderen wieder rausrauschen, denn ich hatte längst den Faden verloren. Den fünf anderen Gaijins ging es mit Sicherheit genauso (plus einigen japanischen Fahrgästen, die einfach wegnickten und so den größten Teil der Fahrt verpennten). Aber genau dreimal dachte die Fremdenführerin daran, uns die aktuelle Nummer des Programms durchzugeben ("Nammbaaaa twentiiii for").


Das erste Mal, als wir an dieser kleinen Plantage vorbeifuhren. Hier wachsen besonders kleine Mandarinen, eine Berühmtheit von Sakurajima. Ca. 50 % der auf Sakurajima erhältlichen Omiyage enthalten diese Mandarinen oder haben zumindest ihre Form.

Beim zweiten Mal durften wir die Felder bewundern, auf denen Monsterrettiche wachsen, eine Berühmtheit von Sakurajima. Diese Dinger werden auf den fruchtbaren Vulkanböden besonders groß (ich habe Fotos gesehen, da sieht man ein Kleinkind neben einem Riesenrettich, und das Kleinkind ist nur unwesentlich größer als die Rübe), und ca. 50 % der auf Sakurajima erhältlichen Omiyage enthalten diesen Rettich oder haben zumindest seine Form.

Wieder mal typisch japanisch, dachte ich mir, die denken wirklich NUR ans Essen.


Aber wir wurden ja noch ein drittes Mal auf den aktuellen Stand der Tour aufmerksam gemacht. Das war, als wir an diesen Bäumen vorbeifuhren. Deren Wurzeln krallen sich an Mauerwerk fest und sorgen so selbst bei dem stärksten Taifun noch für maximale Stabilität. Bei Erdbeben vermutlich auch.

Trotzdem habe ich überlegt, warum wir Ausländer ausgerechnet noch auf diese Bäume, so bemerkenswert sie auch sein mögen, aufmerksam gemacht wurden. Nach einer Weile bin ich auf die einzig logische Erklärung gekommen: wahrscheinlich kann man von diesen Bäumen auch noch irgendwas essen, und es wurde bloß sträflicherweise vergessen, diese wirklich essentielle Information auch in den englischen Text einzufügen.


Nach einer Weile hatten wir Sakurajima zur Hälfte umfahren, die Wolken hatten sich ein winziges bißchen von den Gipfeln gelöst, die Sonne stand auch einigermaßen günstig, da konnte ich aus dem Südgipfel, dem einzigen (derzeit?) aktiven Krater und hier links im Bild, ganz leichte Rauchschwaden aufsteigen sehen. Ist auch in der Vergrößerung leider nur undeutlich zu erkennen. Glaubt's mir einfach.

Der zweite Stop war ein Andenkenladen in der Nähe eines ehemaligen Schreins, der 1914 von den Lavamassen fast vollständig verschüttet wurde. Nur die beiden Querbalken der steinernen torii ragen noch hervor. An dem Schrein selbst fuhr der Bus vorbei, und das Foto ist mir leider total verwackelt.

In dem Andenkenladen habe ich dann aber nur eine Packung Mandarinen-Omiyage für Kayo gekauft. Die Verkäuferin sagte mir, es sei "amari amakunai", "nicht allzu süß". Dann hoffe ich mal, daß unsere Vorstellungen von "süß" und "nicht allzu süß" nicht allzu sehr auseinandergehen.


Der letzte Halt war am Arimura Lava Observation Point. Hier befindet sich ein riesiges Lavafeld von 1914. Der kleine runde Hügel im Hintergrund gehört zu der kleinen Halbinsel, deren Teil Sakurajima seit jenem Ausbruch ist. Das ganze Lavafeld ist von kleinen Nadelbäumen (Pinien?) bewachsen, die Aussicht ist wieder toll - schön war es da. Und heiß. Von oben wärmte die Sonne, von unten das Lavagestein. Das scheint Wärme gut aufzunehmen und wieder abzugeben. Jedenfalls war es doch eine Erleichterung, danach wieder im kühlen Bus zu sitzen.


Kurz vor Ende der Tour kamen wir noch an diesen lustigen Straßenlaternen vorbei. Der qualmende Vulkan und seine Riesenrettiche. Nur die Mandarinen fehlen. Von den Wunderbäumen mal ganz zu schweigen. Aber damit wäre die Laterne optisch auch einfach überladen gewesen. Andererseits - wozu sind eigentlich diese kleinen Querstangen da?..

An der Bushaltestellte vor dem Fähranleger endete die Fahrt, und bis zur Abfahrt der nächsten Fähre waren es nur noch fünf Minuten.


Kurz nach siebzehn Uhr brachte die Fähre uns alle zurück aufs Festland. Nach dem langen Tag war es eine Erleichterung, auf dem Oberdeck zu stehen und mir die frische Seeluft um die Nase wehen zu lassen.

Im Fährterminal verabschiedete ich mich dann von den Amerikanern und meinen Landsleuten und ging zurück zum Bahnhof. Innerhalb der nächsten beiden Stunden fuhren nur noch zwei der teuren Expresszüge. Na ja, dafür war die Fahrt auch eine ganze Stunde kürzer, und da es ziemlich bald dunkel wurde, konnte ich von der schönen Landschaft eh nichts mehr sehen.