Freitag, August 18, 2006

Daimonji Gozan Okuribi

In den letzten Tagen fand das japanische Ahnenfest, Obon, statt. Viele Leute fahren in ihre Heimatorte, um ihre Ahnen zu grüßen, deren Geister in dieser Zeit (13. bis 16. August) auf die Erde zurückkehren. Das wird natürlich gefeiert, mit besonderem Essen und Feuerwerken. Gleichzeitig werden die Friedhöfe besucht, um die "leeren" Gräber zu reinigen.

Am 16. August, Mittwoch, fand ein besonderes Feuerwerk in Kyōto statt, das Daimonji Gozan Okuribi. Wieder hatte ich unglaubliches Glück, denn Mittwochs arbeite ich ja vormittags und bin um 15 Uhr fertig. Da hatte ich genügend Zeit, um zu essen, nach Hause zu fahren und mich umzuziehen, bevor ich losfahren mußte. George kam auch wieder mit.

Bei diesem Feuerwerk werden auf mehreren Bergen rund um Kyōto riesige Feuer in Form chinesischer Schriftzeichen entzündet. Das erste beginnt um 20:00, danach werden im Abstand von jeweils fünf oder zehn Minuten die übrigen angezündet. Um es gleich vorweg zu sagen: alle Feuer haben wir natürlich nicht sehen können, aber immerhin zwei.

Mit der Keihan Line ging es bis zur Endstation, und schon waren wir an einem der besten Plätze angekommen, von dem aus man das Daimonji sehen kann, der Kamo-Ohashi-Brücke (Empfehlung vom "Kansai Time Out"). Wie üblich hatte sich wieder eine gewaltige Menschenmenge versammelt - für uns ahnungslose Gaijins das untrügliche Zeichen dafür, am richtigen Ort zu sein. ;-)
Viele Leute hatten sich richtig auf das Fest vorbereitet, waren offenbar früh gekommen und hatten Plastikplanen und Decken zum Picknick ausgebreitet.


Die Brücke überquert den Kamo da, wo dieser auf ein zweites Flüßchen trifft. Auf der kleinen Landzunge zwischen den beiden Flüssen hatten sich bereits viele Menschen niedergelassen, und so folgerten wir haarscharf, daß dieser Ort eine gute Aussicht auf das kommende Spektakel bieten würde.


Mit etwas Glück fanden wir auf dem recht steilen Ufer noch ein freies Plätzchen inmitten all der Menschen. Unbequem war's, und es dauerte noch 40 Minuten bis zum Beginn des großen Feuerwerks. Aber auf einem der im Dunkel der einsetzenden Nacht noch gerade zu erkennenden Berge verrieten uns viele kleine flackernde Lichter, daß das erste Feuer wohl auf eben diesem Berg entzündet werden würde - und wir die perfekte Sicht darauf haben würden.


So war es auch. Um Punkt acht Uhr bildete sich mitten auf dem Berg plötzlich ein orange leuchtender Fleck, der rasch größer wurde und das chinesische Zeichen "dai" (groß) bildete, begleitet von dem Klatschen und den "Dai! Dai"-Rufen der begeisterten Zuschauer.


Das war unbeschreiblich, wie sich allmählich das flammende Schriftzeichen vor dem dunklen Hintergund abzeichnete, wie erst noch jede Menge von den Flammen orangerot gefärbter Rauch aufstieg, bis das Feuer schließlich überall gleichmäßig brannte und das Schriftzeichen klar zu sehen war. Und dazu die selbe entspannte Sommerfestatmosphäre, die ich schon vom Tenjin Matsuri und dem Nara Tō-kae her kenne. Wunderschön.


Nach zehn Minuten wurden die nächsten beiden Feuer auf zwei nebeneinanderliegenden Bergen entfacht. Sie stellen die chinesischen Zeichen "myo" und "hō" dar und bedeuten zusammen "das wunderbare Gesetz Buddhas". Von unserem Platz aus waren sie erst gar nicht zu sehen, wir mußten aufstehen (gar nicht so leicht, wenn man 40 Minuten stocksteif auf einem sehr abschüssigen Platz gehockt hat) und die paar Schritte zum Fluß gehen. Zumindest das rechte der beiden Feuer konnten wir so sehr gut sehen, aber das zweite blieb unseren Blicken leider verborgen.


Fotografieren war schwierig. Meine Kamera ist zwar sehr gut, aber nur tagsüber. Die meisten Nachtbilder wollen einfach nicht gelingen. Dennoch habe ich es mehrmals versucht. Und auch die anderen Leute waren hauptsächlich damit beschäftigt, das Motiv doch noch in halbwegs befriedigender Bildqualität mit ihrer Kamera oder mit dem Handy aufzunehmen.


Richtig gute Fotos von allen Bergfeuern gibt es hier.

Eine Reise nach Japan im Sommer ist wegen der herrschenden Temperaturen nicht zu empfehlen, aber wen es trotzdem in dieser Zeit einmal hierher verschlägt, sollte zumindest das Daimonji auf keinen Fall verpassen.

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