Sonntag, April 30, 2006

Reisebericht Teil 2: Miyajima

Am Dienstag stand die Insel Miyajima auf unserem Programm. Zum einen, weil gutes Wetter vorausgesagt war, zum anderen, weil wir es gar nicht mehr erwarten konnten.
Miyajima bedeutet übersetzt "heilige Insel", und in früheren Zeiten durften Besucher der Insel selbige nur betreten, wenn sie zuvor mit dem Boot durch die großen O-torii gefahren waren, um die heilige Erde nicht zu verunreinigen. Heute sieht man das nicht mehr so eng.
Das Wetter war auch gut, blauer Himmel mit nur ein paar vereinzelten Wölkchen und weniger diesig als am Vortag, angehm warm (aber im Wind dann wieder etwas frisch, aber nur ein ganz kleines bißchen).
Am relativ frühen Vormittag (gegen halb zehn) verließen wir das Hotel und zogen los zum Bahnhof auf der Suche nach einer Frühstücksgelegenheit. Nachdem wir uns gestärkt hatten, bestiegen wir die Straßenbahn zum Fähranleger nach Miyajimaguchi. Die Fahrt zog sich hin, es dauerte etwas mehr als eine Stunde, aber wir kamen pünktlich zur Abfahrt der Fähre dort an. Die Überfahrt dauerte dann nur noch 10 Minuten, weil Miyajima dicht an der Küste Honshūs liegt. Auf Caris Rat hin stellten wir uns auf der rechten Seite auf das oberste Deck der Fähre - und genossen die grandiose Aussicht und den ersten Blick auf die leuchtend roten O-torii des Itsukushima-Schreins. (Eigentlich wollte ich an diese Stelle ein entsprechendes Foto setzen, aber das fiel einer rigorosen Kürzungsaktion zum Opfer. Das sind heute eh schon wieder zu viele Fotos.)
Es war kurz nach elf Uhr, als wir die Insel erreichten, und nach weiteren fünf Minuten standen wir auf dem Pier neben dem Schrein.


Wie man unschwer erkennen kann, war gerade Ebbe, und obwohl die O-torii noch von seichten Wellen umspült wurden, war das Wasser doch klar auf dem Rückzug. Der Schrein selbst, der in einer kleinen Bucht dicht am Ufer steht, stand schon im Trockenen.


Na ja, weitestgehend jedenfalls. Dennoch war es ein merkwürdiges Gefühl, auf den hölzernen Stegen entlang zu gehen. Muß toll sein, wenn Flut ist und das Wasser unter den Gebäuden gluckert. Nicht umsonst wird der Schrein auch "schwimmender Schrein" genannt. Andererseits kann ich mir gut vorstellen, daß das im Winter eine recht kühle Angelegenheit ist.


Unser Rundgang durch die Hallen des Schrein dauerten nicht allzu lange, aber in der Zwischenzeit war das Wasser noch weiter zurückgewichen, die O-torii waren nahezu trockenen Fußes erreichbar - und urplötzlich war das Watt von Japanern bevölkert. Alle hockten im Schlamm und gruben Austern aus. Typisch Japaner - denken immer ans Essen.

Vom Itsukushima-jinja zogen wir landeinwärts zum Haupttempel der Insel, dem Daishō-in.


Die kleinen Figuren rechts und links des Treppenaufgangs sind Statuen von Schülern des Shaka Nyorai (Nyorais sind Buddhas, Erleuchtete - sagt das Infoblatt, das wir am Eingang des Tempels fanden). 500 gibt es davon, und alle habe sie individuelle Gesichtszüge.
Itsukushima-jinja ist atemberaubend und unstrittig die Hauptattraktion von Miyajima, aber der Daishō-in ist einer der schönsten und friedlichsten Orte, die ich jemals gesehen habe. Angelica ging es ebenso. Wir wurden beide ganz still.


Vom Tempel suchten wir dann den auf der Karte eingezeichneten Weg zum Misen-san, der mit ca. 530 Metern höchsten Erhebung der Insel. Dummerweise ist der gesperrt, da letztes Jahr von einem Taifun arg in Mitleidenschaft gezogen. Mußten wir halt einen anderen Weg nehmen.
War das eine Kletterei! Gut zwei Stunden ging es steil nach oben, auf einem schmalen, mit vielen Treppenstufen versehenen Pfad. Zunächst führte der Weg durch dichten Wald, so daß wir nur schwer abschätzen konnten, wie weit oben wir schon waren. Nach anderthalb Stunden war jedoch das schlimmste geschafft. Wir waren auf einem Felsvorsprung angelangt, von wo aus wir erstmals die grandiose Aussicht auf die Seto-Inlandsee mit ihren vielen kleinen Inselchen genießen und in der Sonne den Schweiß trocknen lassen konnten.
Nach einer Weile ging es über weniger steile Wege weiter, und schließlich erreichten wir den Gipfel mit der Aussichtsplattform.


Das bin ich. Völlig geschafft, aber glücklich, oben angekommen zu sein. (Der Muskelkater in den Beinen am nächsten Tag hatte es in sich.)


Die Aussicht war wirklich überwältigend, und obwohl es etwas diesig war, habe ich zum ersten Mal seit sechs Monaten wieder so etwas wie einen Horizont gesehen.


Misen-san ist ein heiliger Berg, und deshalb gibt es dort oben, knapp unterhalb des Gipfels, natürlich auch einen Tempel. In einem der Tempelgebäude, dem Kiezu-no-Reikadō, sollte ein heiliges Feuer brennen, das ursprünglich vor 1.200 Jahren von Kōbō Daishi, dem Gründer der buddhistischen Sekte, zu der der Daishō-in gehört, bei seinem Besuch der Insel daselbst entfacht worden sein soll.


Nur war auch dieses Gebäude dem letztjährigen Taifun zum Opfer gefallen und wird gerade wieder aufgebaut. Wir konnten nur ahnen, wo das Feuer demnächst wohl wieder brennen wird.

Auf dem Weg nach unten benutzten wir dann die Seilbahn. Eine weise Entscheidung, denn ansonsten wären wir wohl im Dunkeln unten angekommen und hätten das beste verpaßt.


Als wir nämlich wieder zum Itsukushima-jinja wanderten, hatte die Flut wieder eingesetzt und das Wasser den Schrein fast erreicht.


Nur zwei der halbwilden Hirsche suchten noch den Weg ans Ufer (auf der anderen Seite wäre es einfacher gewesen, aber sie haben es dann doch noch geschafft).

Habe ich schon erwähnt, was für eine tolle Sache das Internet ist? Über den Japan Travel and Living Guide bin ich auf die Gezeitenvorhersage für Miyajima gestoßen, wo man zusätzlich noch die Zeit des Sonnenuntergangs erfährt.
Wir hatten noch etwas Zeit, schnell essen zu gehen (was nach der anstrengenden Wanderung auch dringend notwendig war), bevor die Sonne unterging. Dummerweise hatten die meisten Restaurants schon geschlossen, weil - wie wir später aus meinem Reiseführer erfuhren - die wenigen Touristen, die über Nacht bleiben, in ihren Hotels zu Abend essen. Und tatsächlich waren die meisten Tagestouristen schon verschwunden, und die Insel hatte sich merklich geleert. Dennoch fanden wir ein kleines Okonomiyaki-Restaurant, das noch geöffnet hatte. Da konnten wir gleich die Variante aus Hiroshima ausprobieren. Lecker, aber das Okonomiyaki aus Osaka gefällt uns doch etwas besser. Danach stürmten wir noch rasch durch die Andenkenläden, die auch gerade dabei waren, ihre Pforten zu schließen, um noch ein paar Postkarten und sonstige Mitbringsel zu erstehen, bevor wir ein letztes Mal zum Pier zurückkehrten.
Dort sahen wir dabei zu, wie die Sonne langsam hinter den Bergen von Westhonshū verschwand und es allmählich immer dunkler wurde, die Laternen am Pier angezündet wurden und schließlich auch die O-torii angestrahlt wurden.


Der wunderschöne, ruhige Ausklang eines perfekten Urlaubstages.

1 Kommentar:

Sabine hat gesagt…

Wow, tolle Bilder! Das dachte ich ja schon bei Deinem ersten Vorgeschmack-Foto, aber die hier im Ensemble toppen das ganze noch... *neid*

Ich will da auch mal hin...