Samstag, Dezember 31, 2005

Stadt der tausend schönen Tempel

Damit kann ja nur eine Stadt gemeint sein... Richtig geraten , ich war wieder in Kyōto. Und da gerade Neujahrsferien sind, konnten Angelica und ich endlich einmal eine gemeinsame Besichtigungstour unternehmen.
Unser erstes Ziel: der Tempel Rokuon-ji im Nordwesten der Stadt, Zen-Tempel, Weltkulturerbe seit 1994, weithin bekannt und berühmt für seinen schönen Goldenen Pavillon, den Kinkaku-ji. Dieser befindet sich direkt neben einem schön gestalteten Teich, genannt Kyōko-chi (Spiegelteich). Nicht zu Unrecht, wie man hier sehen kann.


Keine Sorge, das gespiegelte Original zeige ich natürlich auch.


Bemerkenswert an diesem Tempel sind auch die unterschiedlichen Architekturstile, die darin Verwendung gefunden haben.
The 1st floor is Shinden-zukuri, the palace style. It is named Hō-sui-in. The 2nd floor is Buke-zukuri, the style of the samurai house and is called Chō-on-dō. The 3rd floor is Karayō style or Zen temple style. It is called Kukkyō-chō. Both the 2nd and 3 rd floors are covered with gold-leaf on Japanese lacquer. The roof, upon which the Chinese phoenix settles, is thatched with shingles.

Abgeschrieben habe ich das aus dem kleinen Infoblatt, das wir am Eingang zusammen mit der Eintrittskarte bekommen haben. Warum habe ich das abgeschrieben? Jedenfalls nicht, weil ich mich so gut in Architektur auskennen würde, sondern weil das ein sehr gelungenes Beispiel dafür ist, wie man verschiedene Stile zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen kann, ohne das es in kitschige Beliebigkeit ausartet. Merke: die Postmoderne kam in Japan schon etwas früher als im Westen, nämlich so um 1400.
Das hier wäre aber nicht Japan, wenn es außer der Architektur sonst nichts zu sehen gäbe. Der Garten rund um den Kinkaku-ji jedenfalls ist auch ohne Tempel und Pavillons einfach nur schön.


Nachdem wir den Kinkaku-ji ausgiebig besichtigt hatten, sind Angelica und ich mit dem Bus ans andere Ende der Stadt gefahren, um uns dort den Ginkaku-ji anzusehen, auch bekannt als Tempel des Silbernen Pavillons, eine andere große Sehenswürdigkeit von Kyōto. Das große Vorbild für den Bau war der Goldene Pavillon, und das ist kein Wunder, denn den Silbernen Pavillon hat der Enkel des Erbauers des Goldenen Pavillons errichten lassen. Der Silberne Pavillon ist zwar etwas schlichter gehalten, aber auch hier wurden zwei Architekturstile verwendet.

Und auf den Spiegeleffekt mochte der Erbauer auch nicht verzichten.
Genau wie Kinkaku-ji ist auch Ginkaku-ji ein Zen-Tempel, aber hier steht eindeutig der Garten im Vordergrund. In der Mitte streng modellierter weißer Sand (der Kegel rechts im Vordergrund stellt den Fujisan dar), der dem entspricht, was ich mir so als Zen-Garten vorstelle, und einen wunderschönen Kontrast zu dem ganzen Grün rings herum bildet.


Das hier ist noch einmal ein Zen-Garten in klein: sauber geharkter Sand rings um ein paar naturbelassene Steine herum. Sieht ja wirklich nicht schlecht aus.


Und hier also die Grünanlage. Wunderschön, atemberaubend, friedlich. Trotz der vielen japanischen Touristen, die überall herumliefen. Eine wichtige Rolle bei der Gartengestaltung spielt hier übrigens Moos, das in allen möglichen Arten vorkommt. Strizz wäre begeistert.


Und was ist das? Richtig: Bambus!


Zum Abschluß sind Angelica und ich noch ein wenig durch ein paar alte (bzw. erfolgreich auf alt gemachte) Straßen in Gion gebummelt, haben uns noch einen Tempel und einen Schrein angesehen, haben uns dann eine Tasse Kaffee zum Aufwärmen gegönnt und sind wieder nach Ōsaka zurück gefahren.

Dienstag, Dezember 27, 2005

Okonomiyaki an Heiligabend

Weihnachten wird in Japan nicht gefeiert. Trotz mehrwöchiger intensiver Beschallung mit Weihnachtsliedern in allen Geschäften und Einkaufspassagen, und obwohl viele Geschäfte ihre Angestellten zwingen, sich an den entsprechenden Tagen mit Weihnachtsmannmützen auf dem Kopf lächerlich zu machen, ist Weihnachten kein Fest in Japan. Aber Nova hatte dennoch ein Einsehen mit seinen nicht-japanischen Angestellten und hat darum die Schichten am Weihnachtswochenende umgelegt. Das heißt: ich mußte schon am späten Vormittag anfangen, hatte dafür aber auch wesentlich eher Feierabend. An Heiligabend bin ich mit Angelica und Cari ins OCAT gegangen, wo es unter den zahlreichen Restaurants im 5. Stock auch ein gutes und preiswertes Okonomiyaki-Restaurant gibt. Okonomiyaki ist definitiv mein japanisches Lieblingsessen. Vergeßt Sushi!

Außer den unvermeidlichen Eßstäbchen gibt es zum Okonomiyaki noch einen kleinen Spachtel, mit dem man kleine Portionen abtrennen und auf den Teller laden kann. Allein mit Stäbchen wäre es auch wirklich zu kompliziert. Und vermutlich würden die Stäbchen auf den heißen Platten (denn Okonomiyaki wird direkt am Tisch zubereitet) eh nur ankokeln.
In der kleinen Plastikverpackung unter den Eßstäbchen befindet sich ein feuchtes Tuch, mit dem man sich vor dem Essen die Hände reinigen kann. In teureren Geschäften bekommt man auch feuchtwarme Waschlappen gereicht. Feine Sache!

Was ist Okonomiyaki? Eine Spezialität von Osaka und der gesamten Kansairegion, die in ganz Japan für ihre gute Küche berühmt ist. Okonomiyaki ist eine Art Pfannkuchen aus Weizenmehl, Kohl, Ei und Wasser, dazu kommen unterschiedliche Füllungen (Schweinefleisch, Shrimps, Oktopus, ... - was man mag), und besonders eine leckere Soße, die dem ganzen richtig Pfiff gibt.
Zubereitet wird Okonomiyaki, wie gesagt, am Tisch, in dessen Mitte sich eine große flache Kochplatte befindet, die von unten geheizt wird. Die Zutaten werden in der Küche lediglich vorbereitet und in eine kleine Metallschüssel getan, der Koch/Kellner kommt damit an den Tisch und los geht's.

Zunächst werden vor den Augen der Gäste die Grundzutaten Mehl, Kohl, Wasser und Ei gründlich vermischt, und dann kommt alles auf die heiße Herdplatte. Der Kellner verschwindet, kümmert sich um die anderen Gäste, kommt nach einer Weile wieder, wendet die Okonomiyaki einmal um, verschwindet und kommt kurz darauf mit einer großen Schüssel getrockneter Bonitoschuppen wieder und fragt, ob man die mit auf sein Okonomiyaki haben möchte. Klar, wollten wir, gehört schließlich dazu, das ist dieses rötliche dünne Zeugs oben drauf. Sieht lustig aus, wenn sich die hauchzarten Schuppen in der Hitze kräuseln.


Dann sieht man mit immer vernehmlicher knurrendem Magen den Okonomiyaki beim Braten zu, bis der Kellner nach einer Weile wiederkommt und alles noch ein letztes Mal wendet, ...

... um schließlich die leckere Soße über den Okonomiyaki zu streichen. Wer mag, bekommt auch noch Mayonaise dazu, so wie auf dem vorne im Bild. Das ist meiner. Fertig!
Eigentlich muß/kann man zum Abschluß noch pulverisierten Seetang darüber streuen, aber das haben wir glatt vergessen. Nach einem Achtstundentag plus zwanzigminütiger Essensvorbereitung hatten wir einfach nur noch Kohldampf.

Anschließend sind wir nach Hause gefahren, Cari nach Juso, Angelica und ich nach Shin Osaka. Angelica ist dann noch zu mir mit raufgekommen, wo wir gemeinsam mit Claudia einen leckeren Adventstee (danke, Sabine!!) getrunken und (nach ca. einer Stunde, als die Okonomiyaki ein wenig gesackt waren) meine restlichen Pfefferkuchen vernichtet haben. Ich habe dann auch meine Geschenke ausgepackt (das Buch, das ich mir gewünscht hatte, noch ein Buch, und jede Menge Marzipan!). Das ist das schöne daran, wenn man aus Deutschland kommt: die Geschenke gibt es schon Heiligabend. Cari hat es übrigens genauso gehalten: nachdem sie uns auf der Heimfahrt in der U-Bahn von ihren zahlreichen europäischen Vorfahren erzählt hatte, unter denen sich möglicherweise/vielleicht/eventuell auch Deutsche befunden haben, habe ich ihr gesagt, daß sie dann ja auch genauso gut deutsche Weihnachten feiern und ihr Päckchen auch schon Heiligabend aufmachen kann. Was sie auch getan hat. Und am Sonntag ist sie während der Arbeit den ganzen Tag mit Weihnachtsmannmütze herumgelaufen. Santa Cari!

Am Sonntag ging es für mich direkt nach der Arbeit zur deutschen "Weihnachtsfeier" in ein japanisches Restaurant. Fast alle waren da, ein paar waren im Weihnachtsurlaub, wieder ein paar auf einer privaten Feier eingeladen, aber die Mehrzahl hat sich doch zum gemeinsamen Essen zusammengefunden. Sehr lecker und sehr lustig.
Und für die Glücklichen, die wie meine Wenigkeit Montags und Dienstags regulär frei haben, begannen damit die Neujahrsferien, denn ab morgen schließt das MMC für eine Woche seine Pforten, und alle Lehrer haben bis zum 4. Januar frei. Herrlich!

Freitag, Dezember 23, 2005

Kiyoshi kono yoru


Nein, ich werde mich jetzt nicht als Weihnachtsmann verkleiden und das Foto dann in meinen Blog setzen. Ein einfacher Weihnachtsgruß mit schön kitschigem Detailfoto von den Kobe-Luminarie genügt mir vollauf. Außerdem will ich noch versuchen, die japanische Version eines weltbekannten Weihnachtsliedes zu lernen, die man hier finden kann (und für die große Mehrheit der Weltbevölkerung, die kein Japanisch lesen kann, gibt es das Lied selbstverständlich auch noch in lateinischer Umschrift), zusammen mit vielen anderen Versionen. Viele davon auch recht exotisch. Allerdings habe ich doch so meine Schwierigkeiten, mir diese sympathischen Gesellen beim andächtigen "Stille-Nacht"-Singen vorzustellen...

Frohe Weihnachten alle zusammen!!
Merī kurisumasu!!

Mittwoch, Dezember 21, 2005

Luminarie

Gestern nachmittag bin ich mit Angelica, Pam (aus Australien), Cari (aus New York - wir wissen jetzt ja alle, daß New York nicht Amerika ist) und Junko (aus Osaka - sie arbeitet für LS und hat ungefähr zeitgleich mit uns im MMC angefangen) nach Kobe gefahren, um uns die "Luminarie" oder, wie es auf Japanisch heißt, "Ruminarie" anzusehen. Heute ist der letzte Tag dieses Spektakels, das alljährlich zur Erinnnerung an das verheerende Erdbeben von 1995 veranstaltet wird.
Mit dem Zug waren wir nach einer guten halben Stunde fast am Ziel unserer Wünsche, vom Bahnhof war es nur ein paar Schritte weit. Allerdings haben wir für diese paar Schritte etwas über eine halbe Stunde gebraucht, denn wir waren bei weitem nicht die einzigen Besucher, und so hatte die Polizei einfach ein paar Straßen für den Autoverkehr gesperrt und an beiden Seiten der Straße dicke bewegliche Zäune aufgestellt, innerhalb derer das Publikum langsam und portionsweise zum Ziel geleitet wurde. Das ganze ging erfreulich zivilisiert vonstatten, Japaner sind halt diszipliniert, und gedrängelt wurde daher auch erst, als wir uns sozusagen auf der Zielgeraden befanden. Ursache der Drängelei war da aber auch eher, daß so ziemlich jeder seine Digitalkamera oder sein Fotohandy (andererseits - gibt es noch andere Handys in Japan? Ich glaube nicht!) zückte und alle paar Schritte stehenblieb, um Fotos zu machen, während andere weiterdrängten. Klingt jetzt schlimmer, als es in Wirklichkeit war. Japaner sind, wie gesagt, diszipliniert.
Dennoch hat es Angelica geschafft, uns in der Menschenmenge gleich zweimal verschütt zu gehen. Das erste Mal haben wir sie oder sie uns wiedergefunden, wer weiß das noch so genau, doch die Freude währte nur fünf Minuten, dann war sie wieder weg.

Das hier habe ich ganz am Anfang aufgenommen, als wir noch in einer Nebenstraße standen und uns die Füße abgefroren haben - und als Angelica noch bei uns war.
Von links nach rechts: Pam, Angelica, Junko und ich. Cari ist diejenige, welche den Auslöser gedrückt hat.

Und das hier sind endlich die Luminarie: eine überdimensionale Weihnachtsmarktbeleuchtung, die eine ganze Straße überbrückt und unglaublich beeindruckend ist.

Man hat wirklich den Eindruck, auf eine Art neogotischer Kathedrale aus tausenden kleiner Lämpchen zuzugehen.

Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Musik, die aus den Lautsprechern scheppert (ich verstehe ja wirklich nicht viel von Technik, aber einige dieser Lautsprecher waren dermaßen deutlich überdreht - nicht schön!). Cari wundert sich in ihrem Blog darüber, daß die Japaner, ein Volk, das Weihnachten trotz aller Werbung und Kitschbeschallung nicht feiert, bei den Luminarie, die an ein Erdbeben erinnern sollen, Weihnachtsbeleutung anknipsen und dazu Weihnachtsmusik spielen. Aber ich glaube, sie hat bei der Musik das sich ständig wiederholende "Requiem" überhört, das meines Wissens in keinem Weihnachtslied auftaucht. Aber zumindest war die Musik eher westlich-christlich als japanisch, und in sofern hat sie natürlich recht.

Aber irgendwie hätte japanische Musik auch nicht wirklich zu der Lichtinstallation gepaßt.

Zwischendrin hatten die Japaner überdies noch eine Art riesigen Weihnachtsmarkt aufgebaut, mit jeder Menge heißer und kalter (?!) Getränke und allerlei Freßbuden. Alles in allem also eine sehr diesseitsgewandte Art des Katastrophengedenkens.

Und hier ist auch Cari auf einem Foto zu sehen, noch vor dem eigentlichen Eingang zu den Luminarie, aber schon ohne Angelica. Wir anderen haben dann extra aufgepaßt, uns in dem Gedränge nicht zu verlaufen. War auch recht einfach - Cari, Junko und ich haben uns einfach an Pams Mütze orientiert.

Nochmal ein kleines Gruppenbild vor den Luminarie mit Junko, mir und Cari.

Angelica haben wir erst nach einigen Telefonaten (manchmal sind Handys doch ganz praktisch) in der unterirdischen Einkaufsmeile vor dem Bahnhof wiedergefunden.
"Ok, you are at which end of the tunnel?" (sehr gute Frage)
"We' re waiting at exit 10."
Angelica hat es dann noch geschafft, an exit 10 nahezu zielstrebig an uns vorbeizugehen - sooo voll war es da unten nun auch wieder nicht, und wir waren die einzigen anderen Gaijin weit und breit, von Junko mal abgesehen. Nach lautem Rufen wurden wir dann doch bemerkt, und dann haben wir uns wieder in den Zug gesetzt (bzw. gestellt) und sind dann nach Osaka zurück.

Dienstag, Dezember 20, 2005

Überraschungen

Es gibt Dinge, die erwartet man einfach nicht. Zum Beispiel, daß der Brief von der Accomodation section Elisa und mir mitteilt, unsere neue Mitbewohnerin werde ihre erste Nacht am 20. 12. in der Wohnung verbringen, und dann gemeint ist, daß sie in aller Herrgottsfrühe anrückt.
Jedenfalls hatte ich (zugegebenermaßen viel später als geplant) endlich in meinem Zimmer das Licht gelöscht und mich schlafen gelegt, da klingelt jemand an der Tür. Um halb zwei. Nachts. Schade, habe ich mir gedacht, leben wohl doch auch einige Idioten in diesem Haus. Da hilft nur eines: ignorieren. Nur ging dann die Haustür auf, schweres Gepäck wurde herumgewuchtet - et voilà: Claudia. In Begleitung eines Japaners, der irgendwas sagte, ich habe kein Wort verstanden, jedenfalls war es für diese Uhrzeit entschieden zu laut. Meine erste Begegnung mit der neuen Mitbewohnerin bestand also darin, im Schlafanzug aus meinem Zimmer zu blinzeln und sie und vor allem ihren Begleiter darauf aufmerksam zu machen, daß es auch Leute gibt, die um 1:30 nachts schlafen, weil sie am nächsten Morgen zur Frühschicht ausrücken müssen (Elisa, ich hatte heute vormittag ja "nur" Japanischunterricht).
Das hat mich doch, ehrlich gesagt, ein bißchen irritiert.
Heute mittag, als ich aus Namba zurückkam, war Claudia gerade aufgestanden und erwies sich als ausgesprochen nett und sympathisch. Für die späte Störung hat sie sich als erstes entschuldigt und erklärt, daß sie das so auch nicht geplant hatte, aber der Typ, den sie zum Gepäcktransport engagiert hatte (besagter Japaner), kam zwei Stunden zu spät. Ein Japaner, der zu spät kommt. Und dann auch noch mitten in der Nacht in einer typisch japanischen (= dünnwandigen) Wohnung nicht in der Lage ist, seine Lautstärke auch nur ansatzweise etwas zu drosseln. Unglaublich. Andererseits - das hier ist Japan. Anything is possible.

Montag, Dezember 19, 2005

Die große Frage lautet:

mache ich das Weihnachtspäckchen von meinen Eltern, das ich soeben von einem schwerbepackten japanischen Paketboten in Empfang genommen habe, heute schon auf, oder warte ich noch bis Heiligabend damit?

Sonntag, Dezember 18, 2005

Neulich habe ich - beim Stöbern in anderen Blogs - etwas neues gelernt, herzhaft gelacht - und nachdem Sabine dieselbe Stelle ihren Lesern auch zum Lesen empfohlen hat, werde ich es Ihr gleichtun. Außerdem habe ich zwei werdende Mütter (aber vielleicht ist die eine inzwischen auch schon Mutter geworden, das freudige Ereignis sollte ja im Dezember stattfinden) in meinem Bekanntenkreis.
Also: liebe Agnieszka, liebe Hermine, und alle anderen auch - bitte nennt Euer Kind nie Üffes!!!!!!

Samstag, Dezember 17, 2005

Der Osaka-Effekt

Mittwoch abend sind Angelica und ich noch einmal zum Weihnachtsmarkt gefahren (Nicole war leider kurzfristig was dazwischengekommen). Und weil das Wetter so schön war, sind wir vorher noch schnell auf das Umeda Sky Building gefahren, um die beste Aussicht auf den Sonnenuntergang zu haben.

Und so präsentierte sich uns das mit Abstand schönste moderne Gebäude Osakas, als wir aus der U-Bahn stiegen: von der Abendsonne rosig angestrahlte Wolken spiegeln sich in der Fassade. Wir haben schon vor ein paar Wochen festgestellt, daß das Umeda Sky Building in der Nacht bei weitem nicht so schön aussieht, wie tagsüber, weil dann die vielen erleuchteten Fenster die einheitliche Fassade des Gebäudes stören. Man kann das den umgekehrten Osaka-Effekt nennen: im Dunkeln wird es häßlich. Bei Osaka im ganzen ist es genau anders herum: wenn die Sonne weg ist, verdeckt die Dunkelheit die ganze Häßlichkeit der Stadt.
Und der beste Ort, der Stadt bei ihrer allabendlichen Schönheitskur zuzusehen, ist das Floating Garden Observatory auf dem Umeda Sky Building.
Wenn man die 700 Yen Eintritt bezahlt und im 33. Stockwerk aus dem Lift steigt, geht es auf der spektakulären Rolltreppe zwischen den beiden Türmen weiter aufwärts.

Ich mache ein Foto von Angelica auf der Rolltreppe, die dreht sich um und wundert sich: "I saw a lightening here, but the heaven's too clear for it..." Angelica, das war meine Kamera!!!!


Oben angekommen, konnten wir der Dunkelheit beim Anmarsch praktisch zusehen, so schnell geht das hier. Das obere Bild ist eines der ersten, die ich gemacht habe, während das untere nur wenige Minuten später entstanden ist.
Nach längerem Vergleich meiner Fotos mit dem Stadtplan bin ich zu dem Schluß gekommen, daß auf dem hier der Teil von Osaka zu sehen sein muß, in dem ich wohne. Wenn ich in der U-Bahn (die den Fluß - den Yodogawa - überirdisch überquert) zur Abwechslung mal darauf achten würde, wie die Brücke aussieht, dann könnte ich es natürlich mit viel größerer Sicherheit sagen, aber so kann ich nur vermuten, daß die Brücke mit dem weißen Bogen (oder die direkt daneben) die U-Bahn-Brücke ist, und dann muß man sich die Strecke nur noch etwas weiter denken, und da wohne ich dann. Ungefähr.

Das hier ist auch der Yodogawa, nur etwas näher zur Mündung hin. Das bedrohlich Schwarze im Hintergrund sind keine Wolken, daß sind die Berge. Irgendwo davor liegt der Itami-Flughafen - habe ich schon mal erwähnt, daß ich in seiner Einflugschneise wohne?

Im Westen: Sonnenuntergang und Mündung des Yodogawa in die Bucht von Osaka!

Freitag, Dezember 16, 2005

Herbst


Herbst

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

Bravo

"Was ißt du gerne?" - "Ich spreche gerne Basketball."

Sumiyoshi-taisha

Nachdem ich am Montag einen total langweiligen Haushaltstag (ausschlafen, waschen, saubermachen, einkaufen) eingelegt hatte, war es am Dienstag nach dem Japanischunterricht höchste Zeit, sich wieder etwas in japanischer Kultur fortzubilden.
Mein Plan war, bei schlechtem Wetter ins Museum zu gehen und bei gutem Wetter den größten Shinto-Schrein von Osaka, den Sumiyoshi-taisha, zu besichtigen. Wer aufgepaßt und auch den Titel dieses Eintrags gelesen hat, der weiß: am Dienstag war schönes Wetter.
Von Namba waren es auch nur 15 Minuten mit der Nankai Main Line (Local Train - alle anderen Züge rauschen da durch) bis zum Sumiyoshi-taisha,
Osaka's grandest shrine, home of the Shinto gods of the sea. Built in 211, after the grateful Empress Jingo (so the legend goes) returned from a voyage to Korea, its buildings (...) exemplify sumiyoshi zukuri, one of Japan's oldest styles of shrine architecture. The approach to the complex takes you over the elegant humbacked Sori-hashi bridge, donated to the shrine by Yodogimi, Toyotomi Hideyoshi's lover.
(Simon Richmond, Jan Dodd, The Rough Guide To Japan, New York u.a. 2005, S. 503, Hervorhebung im Original - sage keiner, ich hätte das ordentliche Zitieren nicht gelernt!!)

(Toyotomi Hideyoshi ist übrigens der Typ, der die Burg von Osaka (Osaka-jo) hat erbauen lassen.)


Das hier ist die berühmte Brücke von vorne...

... und von der Seite. Wirklich schön, gefällt mir. Überhaupt ist die ganze Anlage recht schön, aber auch nichts dolles. Von Architektur verstehe ich ungefähr genausoviel wie von Chinesisch, vom Shintoismus habe ich auch keine große Ahnung, ausgeschildert ist da nichts, und wenn doch, dann nur auf Japanisch - also bin ich da nur eine halbe Stunde herumspaziert, habe mir jedes Gebäude einmal angesehen und ca. jedes zweite fotografiert. Dann bin ich noch in den angrenzenden Park gegangen, habe ein bißchen Spätherbststimmung auf mich einwirken lassen und festgestellt, daß ich doch besser meine Handschuhe mitgenommen hätte.
Ich hätte ja auch gerne nachgefragt, was die einzelnen Gebäude und Brunnen und Gebetsstätten auf dem Gelände so zu bedeuten haben, aber dazu müßte ich vermutlich Japanologie studiert haben - und dann hätte sich das mit dem Nachfragen auch schon wieder erledigt, denn in dem Fall wäre das sicher in dem einen oder anderen Landeskundeseminar mal drangewesen. So blieb es dabei, daß ich bei dem spärlich besuchten Schrein zur großen Erheiterung eines japanischen Ehepaares, das gerade danebenstand, an dem Stand, wo man hölzerne Gebetstafeln (oder was auch immer) erwerben konnte, einen Mitarbeiter des Schreins auf Japanisch zu fragen versuchte, ob man auf dem Gelände fotografieren könne. Manchmal wünschte ich wirklich, ich hätte mir einen Sprachführer für Touristen gekauft. Wenn man sich die Vokabeln lediglich einzeln aus einem lächerlich kleinen "Wörterbuch" zusammenklaubt und ohne große Japanischkenntnisse in einen Satz zu packen versucht ("erlauben" "fotografieren" "hier") - dann darf man sich auch nicht wundern, wenn man nicht verstanden wird.

Donnerstag, Dezember 15, 2005

Probation observation

Gestern fand die letzte Observation in meiner Probezeit statt, die "Probation observation", in der es darum ging, meine Professionalität, Unterrichtsfähigkeit und mein Verhalten gegenüber den Kunden und Kollegen zu bewerten. André hatte mir diese Observation schon vor zwei Wochen bei meinem letzten Training angekündigt und gemeint, es sei nichts dolles, müsse aber nunmal so sein. Weil er am Dienstag in den Weihnachtsurlaub entschwunden ist, hat Stephanie, die zweite deutsche Trainerin, die Observation durchgeführt.
Mit dem Verlauf der beobachteten Stunde war ich diesmal sogar selbst zufrieden, das Timing war nahezu perfekt, die Studenten haben ihre Phrasen (Thema: wir kaufen Elektroartikel) gelernt und gut anwenden können, es gab keine Probleme mit der Technik - wunderbar. Stephanie war auch zufrieden (ein paar Kleinigkeiten hat sie zwar noch kritisiert, aber das waren wirklich nur Kleinigkeiten, mit meiner Bewertung kann ich sehr zufrieden sein, ein "Excellent" für "Attendance and Punctualitiy", ansonsten ausnahmslos "G" oder "S"), und damit werde ich zum 31.12. erfolgreich aus der Probezeit entlassen und bekomme ab Januar dann das "richtige" Gehalt (welches allerdings erst Mitte Februar auf meinem Konto landet).
Eines verstehe ich allerdings an dem Bewertungsbogen nicht: da gibt es einen Punkt "Knowledge of your own language" ("G")- sollten sich die deutschen PISA-Ergebnisse bis nach Japan herumgesprochen haben?

Samstag, Dezember 10, 2005

Zählen alla giapponese

Es wird mal Zeit für einen Bericht über meinen Japanischunterricht. Bislang bin ich viermal da gewesen und habe jedesmal einen anderen Lehrer gehabt. Jetzt hoffe ich aber, das es bei der Lehrerin von diesem Dienstag bleibt.
Erste Stunde: absolutes Anfängerniveau, keine neuen Strukturen gelernt, aber einige neue Wörter (Schirm, Telefon, Uhr, Kugelschreiber, Zigarette).
Zweite Stunde: der größte Teil der Teilnehmer des Freiwilligenprogramms war zum Bowling gegangen, und von den paar Leuten, die lieber was lernen wollten, bin ich zusammen mit einer Chinesin und einem Italiener in einer Gruppe gelandet. Sehr frustrierend. Die Chinesin konnte ungefähr so viel Japanisch sprechen wie ich, aber natürlich waren die Kanji kein Problem für sie. Der Italiener lernt seit fünf Jahren Japanisch. Und die Lehrerin hatte irgendwie nicht geschnallt, daß zwei Drittel der Gruppe nicht wirklich was von dem verstanden hatten, was sie so erzählte. Der Italiener mußte dauernd übersetzen. Erzählt hat die gute Frau aber jede Menge. Daß sie einen Laden hat, wie man da hin kommt, daß sie da demnächst wohl irgendwas kochen wird und daß es jede Menge Freiwillige in Umeda gibt. Zwischenzeitlich habe ich überlegt, einfach mal Deutsch mit ihr zu sprechen. Oder sie auf Englisch zu fragen, warum sie mir erzählt, daß es in Umeda Freiwillige gibt, wo ich doch extra zu den Freiwilligen nach Namba gekommen bin. Wie gesagt, es war sehr frustrierend und ich habe nichts, aber auch gar nichts gelernt.
Dritte Stunde (vor fast drei Wochen): nette Gruppe mit einer Israelin und einem Nepalesen. Thema: Wann frühstücke ich, wann esse ich zu Mittag, wann stehe ich auf, wann arbeite ich, was esse ich zum Frühstück/Mittagessen/Abendessen. Eine gute Stunde, die ich mit dem Gefühl, wirklich etwas gelernt zu haben, verlassen hatte. Aber es war ein Glück, daß ich mich unter der Woche mit einem anderen Japanischlehrbuch beschäftigt hatte, das gleich in der ersten Lektion die Grundzahlen und Uhrzeiten einführt, sonst wäre ich da untergegangen.
Vierte Stunde (diese Woche): neue Lehrerin, die privat einige meiner deutschen Kollegen unterrichtet, die bislang nur eine neuseeländische Nova-Lehrerin unterrichtet hat und deshalb im Schnelldurchgang das ganze Programm der vergangenen drei Stunden mit mir durchging, um mich auf den Stand meiner Mitschülerin zu bringen. Sehr gute Stunde - und das beste: sie gibt uns jede Woche ein paar Kanji zum Lernen auf. Genau das will ich ja auch, denn ohne die Kanji kommt man einfach nicht weit.
In den vergangenen drei Wochen hatte die Neuseeländerin u.a. das japanische Zählsystem kennengelernt. Aus der Sondersendung der "Sendung mit der Maus" zum deutsch-japanischen Jahr wußte ich zwar schon, daß es beim Zählen auch darauf ankommt, WAS man zählt, also runde, lange oder dünne Gegenstände. Daß es allerdings so viele verschiedene Zählweisen gibt, wußte ich nicht und war darauf vollkommen unvorbereitet.
Zur Ehrenrettung der Japaner muß gesagt werden, daß es meistens nur eine kleine Silbe ist, die an die Zahlwörter angehängt wird. Andererseits verändert sich manchmal auch das Zahlwort davor. Und dann muß man ja noch wissen, was man zählt. Personen, flache Gegenstände wie T-Shirts und Briefmarken, runde Bälle und Äpfel, Elektrogeräte und Fortbewegungsmittel, Tiere, Lebensjahre, Stockwerke, Male, lange Schirme, Stifte und Flaschen, Tiere und Tassen bzw. Gläser. Wenn ich eine Cola bestelle, muß ich also auch wissen, ob sie im Glas oder in der Flasche verkauft wird.
Elisa erzählte mir, daß es ein besonderes Wörterbuch gibt, wo man nachschlagen kann, wie was gezählt wird.

Mittwoch, Dezember 07, 2005

Der "perfekte" Start in die neue Woche

Mein persönlicher "Montag" begann heute wie folgt:
Barbara telefoniert. Diese Information brauchte eine Weile, bis meine schlaftrunkenen Gehirnzellen sie in ihrer ganzen Tragweite verarbeitet hatten, um schließlich eine zweite Information zu erstellen: "Scheiße, ich hab' verschlafen!!!!"
Denn: Mittwochs arbeite ich die halbe Morgenschicht, Arbeitsbeginn um 10:50, da stelle ich meinen Wecker auf sieben Uhr. Genau wie Dienstags, wenn ich um 10:00 meinen Japanischunterricht habe. Außer letzten Dienstag, denn da habe ich gründlichst verschlafen und bin erst aufgewacht, als Barbara um 10:30 aufgestanden ist. Wobei Barbara auf mein Fragen hin bestätigte, meinen Wecker (= mein deutsches Handy) gehört zu haben, während ich nichts, aber auch gar nichts gemerkt habe, obwohl das Handy doch keinen halben Meter von meinem Kopf entfernt liegt. Da war ich noch froh gewesen, daß mir das Malheur nicht an einem Mittwoch passiert ist.
Heute also wachte ich dadurch auf, daß ich Barbara im Wohnzimmer telefonieren hörte. Sobald die beiden genannten Informationen von meinem Gehirn entsprechend verarbeitet waren, habe ich keine zwei Sekunden mehr gebraucht, um aus dem Bett (bzw. vom Futon hoch) zu kommen. Da mein Zimmerchen bekanntlich kein Fenster hat, konnte ich nicht feststellen, ob es draußen hell oder dunkel war, und folglich auch keine Vermutungen über die wahre Tageszeit anstellen. Also: Licht an, einen Schritt zu meinem Plastikschränkchen neben der Tür, auf meine Armbanduhr gesehen: 5:30. Häh?! Sollte zu allem Überfluß auch noch meine Uhr stehengeblieben sein? Schiebetür geöffnet, ins Wohnzimmer geblinzelt - draußen war es eindeutig dunkel. Barbara hockte auf dem Sofa, so nah wie möglich am Fenster (und so weit wie möglich von meinem Zimmer entfernt) und telefonierte, ohne mich zu beachten. Nach ca. 30 Sekunden Nachdenkens habe ich mich wortlos wieder in mein Zimmer zurückgezogen und mich wieder hingelegt. Unmittelbar nach dem Aufstehen ist mein Sprachzentrum noch inaktiv, besonders wenn ich dann noch Englisch sprechen muß.
Es dauerte eine Weile, bis ich wieder eingeschlafen war, nebenan wurde ja weiterhin geredet, und wurde anderthalb Stunden später pünktlich von meinem Wecker erneut aus dem Schlaf gerissen. Es verwundert hier wohl keinen, wenn ich sage, daß ich heute den ganzen Tag über einfach nur müde bin, trotz der Unmengen von Kaffee, Cola, Tee und sonstigen Getränken mit Umdrehungen, die ich bis jetzt schon konsumiert habe.
Ich vermute, daß das nächtliche Telefonat mit Barbaras baldigem Aus- und Umzug zusammenhängt. Und ich hoffe, daß es wenigsten wichtig war.

Montag, Dezember 05, 2005

*freu*

Sabine hatte neulich die wunderbare Idee, mir eine Freude zu machen, und hat viel Geld in den Versand eines Päckchens investiert. Dieses wurde Samstag geliefert, als dummerweise niemand da war. Eine entsprechende Benachrichtigung entdeckte ich dann am Sonntag im Briefkasten.
Ein Postamt liegt hier gleich um die Ecke, aber warum sollte die japanische Post es dummen gai-jin so leicht machen? Nicht zustellbare Sendungen werden in einem anderen Postamt in Juso aufbewahrt, das wußte ich schon von Barbara und habe deshalb nicht weiter nachgefragt. Großer Fehler!! In dem Postamt in Juso (das direkt neben dem Ward Office von Yodogawa liegt) hat mir ein netter Postbeamter mit vielen japanischen Worten den Weg zu dem für mich und Sabines Päckchen zuständigen Yodogawa Postamt ein paar Straßen weiter erklärt. Einer Eingebung zufolge hatte ich immerhin die Umgebungskarte vom Yodogawa Ward Office dabei, die ich am Ankunftstag von Nova erhalten hatte, da konnte mir der nette Mann das richtige Postamt aufmalen. Ansonsten würde ich jetzt vermutlich immer noch in Juso herumirren (und es ist heute ziemlich kalt draußen!!!).
Ich habe auch tatsächlich nur noch ein einziges Mal nachfragen müssen, ob ich auf dem richtigen Weg sei, und dann war das richtige Postamt gefunden und ich durfte dann mit meinem Päckchen gen Heimat wandern.
Und was war drin? Selbstgemachte Weihnachtsplätzchen, Adventstee, echte Tannenzweige (!) und eine selbstgebrannte CD mit schön viel Musik drauf. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön aus Fernost nach Franken!!!
Und nachdem ich jetzt mein Zimmer gesaugt, meine Futons gelüftet, die Wäsche aufgehängt und meinen Blog aktualisiert habe, gönne ich mir jetzt eine große Tasse heißen Tee und einige von Sabines Plätzchen (und das Backen der nächsten Portion Pfefferkuchen wird auf morgen verschoben).

Sonntag, Dezember 04, 2005

Selbsterkenntnis

Ich weiß nicht, ob sich jemand unter meinen Lesern in Deutschland schon einmal Gedanken darüber gemacht hat, wie das so ist, als offenkundiger Ausländer herumzulaufen. Da ich bis vor sechs Wochen auch noch zur (politisch korrekt) sogenannten "Mehrheitsgesellschaft" gehört habe, ist es für mich eine sehr interessante Erfahrung, als Europäerin in Japan herumzulaufen.
Ich kann ja machen, was ich will, selbst wenn ich - was völlig illusorisch ist - ab morgen spontan fließend Japanisch parlieren könnte, ich werde hier immer als Fremde wahrgenommen werden. Wie es in einem ähnlichen Zusammenhang in der "Gebrauchsanweisung für Deutschland" heißt: die Physiognomie hält mit der Entwicklung der linguistischen Fähigkeiten einfach nicht mit.
Wenn ich beispielsweise zur Arbeit oder von der Arbeit wieder nach Hause fahre, dann bin ich mitunter die einzige Europäerin im U-Bahn-Wagen* und falle als solche natürlich auf.
Mittwoch auf dem Weg zur Arbeit war es dann erstmals so weit: in Shin-Osaka bin in einen fast leeren Waggon gestiegen und habe einen Sitzplatz am Ende zwischen einer der Einstiegstüren und dem Übergang zum nächsten Waggon ergattert. An dieser Stelle sind auf der Bank nur drei Sitze, ich saß direkt neben der Tür, der mittlere Platz war frei, und am anderen Ende saß ein alter Mann. Gegenüber dasselbe Bild: zwei Plätze besetzt, in der Mitte frei. In Shinsaibashi (für mich noch eine Station bis Namba) öffneten sich die Türen auf der mir gegenüberliegenden Seite des Wagens, und es stieg u.a. eine ältere Frau ein, die zielstrebig auf den freien Platz links von mir zusteuerte und dann im letzten Moment nach rechts abbog und sich auf den freien Platz mir gegenüber setzte, sobald sie gewahr wurde, daß da auch noch ein Platz frei war. Das hat mich ein bißchen irritiert, aber noch mehr gestört hat mich die Erkenntnis, daß ich an ihrer Stelle dasselbe getan hätte.
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*Ich kann nicht ausschließen, daß auch chinesische Nova-Lehrer mitfahren, aber die kann ich nur innerhalb des MMC als solche erkennen, weil ihre Magnetkarten an denselben leicht lila getönten Bändern hängen wie die der anderen Lehrer. Die japanischen Mitarbeiter haben entweder dunkelblaue (LS) oder graue (TS) Bänder.

Freitag, Dezember 02, 2005

Heiiiidi, Heiiiiiiidiiii, deine Welt sind die Beherge!!

Wer erinnert sich nicht an Heidi, das Naturkind aus den Schweizer Bergen, das sich im grauen und kalten Frankfurt mit Fräulein Rottenmeier herumschlagen mußte und schreckliches Heimweh nach der Alm, den Ziegen, dem Geißenpeter und dem Alm-Öhi hatte?
Wer erinnert sich nicht an die dazugehörige Zeichentrickserie japanischer Provenienz?

In Japan ist Heidi unvergessen - zumindest nicht bei den Kunden von "Familiy Mart", einer Kette von "convenience stores". Hier gibt es eine ganze "Heidi"-Produktpalette, hauptsächlich Süßigkeiten (die dermaßen süß aussehen, daß ich da lieber die Finger von lasse), diesen Trinkjoghurt (der mich nicht sonderlich vom Hocker gerissen hat) und andere Fressalien. Aber eben auch (laut ausliegendem "Heidi"-Prospekt) diversen "Heidi"-Nippes: Tassen, Schlüsselanhänger, Stifte - also eigentlich alles, wo ein "Heidi"-Motiv draufpaßt. Auch für die gehobenen Ansprüche gibt es etwas: nette Bildchen, für die eine Heidensumme verlangt wird. Und für kleine weibliche "Heidi"-Fans gibt es sogar ein fesches rotes Kleidchen, das genau so aussieht wie das, in dem die japanische Zeichentrickheidi dauernd rumgelaufen ist.