Samstag, September 17, 2005

Eistee für einen Kranken

Mein Bruder hat uns gebeten, ihm Getränke ins Krankenhaus zu bringen, weil er nicht ausschließlich Mineralwasser zu sich nehmen möchte. Ein verständlicher Wunsch. Besonders hat er mir durch unsere Mutter ausrichten lassen, ich könne ihm doch gerne einen Liter meines selbstgemachten Eistees mitbringen. Die Idee hatte ich selbst allerdings auch schon. Eigentlich wollte ich ihm gestern nachmittag den Eistee frisch zubereiten und ins Krankenhaus bringen, sobald ich meinen Paß eingescannt und an Nova geschickt hatte. Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.

Es fing damit an, daß kurz nach dem Mittagessen Oma bei uns auftauchte und fragte, ob Gero sie etwa nicht sehen wolle. Mit anderen Worten: sie suchte jemand, der sie zum Krankenhaus fährt. Meine Mutter schied aus, die war am Nachmittag zu einer Goldenen Hochzeit eingeladen und hatte keine Zeit. Ich habe mich bereit erklärt, Oma mitzunehmen, wenn ich selber fahre. „Es dauert aber noch, ich habe vorher noch einiges zu erledigen.“ „Du sagst mir aber rechtzeitig Bescheid, damit ich noch Zeit habe, mich umzuziehen?“ (In Wirklichkeit hat diese Aussage wesentlich mehr Worte gebraucht, Oma ist halt so.) „Ja, ich sage Dir rechtzeitig vorher Bescheid.“ „Also kann ich jetzt noch vorher die Blumen gießen, ich wollte nämlich noch Blumen gießen, und umziehen muß ich mich auch noch, ich kann so doch nicht ins Kranken-“ „Oma, ich habe selbst noch jede Menge zu tun, und natürlich sage ich dir rechtzeitig Bescheid!

Ich habe mich dann sofort an den PC gesetzt, die zwei Paßseiten eingescannt, mit der Email an Nova geschickt, was einige Zeit dauerte, da die Scanbilder eine relativ große Datenmenge gebraucht haben (eine geringere Dateigröße konnte ich nicht nehmen, weil die Wörter auf den Bildern sonst schlicht nichts zu entziffern gewesen wären, und auf die Wörter kam es ja gerade an). Danach habe ich zwei Minuten gewartet, um den Daten genügend Zeit zu geben, ihren Weg durch das World Wide Web zu finden, und habe dann bei Nova angerufen, der Paß sei jetzt doch schon fertig gewesen, ich hätte ihn eingescannt und vor wenigen Minuten per Email an Katie geschickt. Die Emails waren auch schon da „and everything looks very fine“, und daraufhin wollte ich den Leuten eigentlich erleichtert ein gutes Wochenende wünschen und auflegen. Eigentlich. Uneigentlich wurde ich dann gebeten, die Kopien dann bitte doch noch mit der normalen Post zu schicken. Toll.

Also: Computer meines Vaters heruntergefahren, meinen hochgefahren, schnell ein kurzes Begleitschreiben an Nova zusammengestoppelt (ich kann die Kopien schließlich nicht einfach in einen Umschlag packen und unkommentiert abschicken, wo leben wir denn?) und ausgedruckt, Briefumschlag gesucht – da klingelt das Telefon. Oma.

„Wo bleibst du denn, ich stehe hier schon die ganze Zeit und warte, ich habe mich schon vor einer ganzen Weile umgezogen, ...“ ARGH! Mal ehrlich, war an meiner Aussage „ich sage dir rechtzeitig vorher Bescheid“ irgend etwas unklar? Hatte ich nicht deutlich gemacht, daß ich noch was Wichtiges zu Erledigen hatte?! Andererseits – ich hätte es wissen müssen.

Eigentlich (eigentlich hätte ich „eigentlich“ auch als Titel für diesen Eintrags nehmen können, es hätte hervorragend gepaßt) hatte ich ja nun vorgehabt, im Schreibwarenladen von Frau Pinke (die heißt wirklich so, sehr nette ältere Dame) schnell die Kopien zu machen, diese mit in den Briefumschlag zu stecken und das Ganze bei der Hauptpost als Einschreiben aufzugeben, dann schnell nach Hause zu fahren, Oma Bescheid zu sagen, daß sie sich fertig machen kann, dann schnell den Eistee zuzubereiten, in eine Thermoskanne zu füllen, diese und Oma ins Auto zu packen und endlich zu meinem armen kleinen Bruder ins Krankenhaus zu fahren.

Statt dessen habe ich den Briefumschlag gepackt, bin mit Oma zum Krankenhaus gefahren, habe sie da abgesetzt, bin weiter zu Frau Pinke, habe dort die Kopien gemacht, bin von da weiter zur Hauptpost, habe das Einschreiben nach London aufgegeben und bin dann wieder zurück ins Krankenhaus.

Zum Glück war Gero schon aus anderer Quelle mit Eistee – allerdings keinem selbstgemachten – versorgt worden. Die Freundin seines Zimmergenossen hat ihm eine Tüte Tetrapack mitgebracht. Ihr Vater ist Logistiker, und die kommen anscheinend regelmäßig für umsonst an solche Sachen ran. Wenn die Mindesthaltbarkeit anstelle der vorgeschriebenen achtzehn Monate versehentlich nur siebzehn Monate beträgt, können diese Waren nicht in den Verkauf gelangen und kommen statt dessen ins Logistikerlager, aus dem sich die Logistiker dann bedienen können. So wurde mir das gestern erklärt.

So, und jetzt gehe ich in die Küche und mache Eistee. Morgen habe ich keine Zeit, da bin ich Wahlhelferin und muß spätestens um 7:30 (!!!!!) im Wahllokal erscheinen, und ab 18:00 darf ich bei der Auszählung der Stimmen mithelfen, und ab wir bis 21:00 (Ende der Besuchszeit) damit fertig werden, kann ich noch nicht abschätzen. Und Montag wird der Knabe voraussichtlich schon entlassen, da lohnt es sich nicht.

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